10 2004
Aktualisierung des Raums: Der Fall Oda Projesi
Übersetzt von Therese Kaufmann
Ein langer, hoher 
                          Raum. In der Mitte kleine Bäume in Schachteln. Die Wände 
                          sind auf allen drei Ebenen des Gebäudes von Türen und 
                          Fenstern durchbrochen. Hie und da stehen Schuhe vor 
                          den Türen und durch die Fenster lassen sich flüchtig 
                          Vorhänge erkennen. Neben den Schuhen wurde der eine 
                          oder andere Kinderwagen abgestellt. Tageslicht durchflutet 
                          den Raum durch ein Glasdach und wird durch das Glas 
                          an den Schmalseiten gefiltert. Wenn da nicht die Schuhe 
                          und Kinderwägen wären, würde man an ein Hotel oder sogar 
                          ein US-amerikanisches Gefängnis denken. In der Mitte 
                          des Raums spielt eine Gruppe von Männern auf ihren Instrumenten 
                          türkische Musik, andere tanzen. Ein kleines, in gelb 
                          gekleidetes Mädchen, zieht, elegant allein tanzend, 
                          die Aufmerksamkeit auf sich. Lachen erklingt. Plötzlich 
                          wird von einem Balkon eine Papierbahn herunter gelassen, 
                          die sich wie eine große Schlange entrollt, und einige 
                          Kinder beginnen darauf zu zeichnen.
                          Der Ort ist eine Passage und 
                          ein BewohnerInnentreff im "Galeriahaus", einem 
                          sozialen Wohnbau in der Messestadt Riem, einem Vorort 
                          von München. Der Anlass ist eine von mehreren kleineren 
                          Veranstaltungen, die Oda Projesi während ihres Aufenthalts 
                          dort im Frühjahr 2003 organisierte. Wie der Name schon 
                          sagt ("Oda" bedeutet Raum und "Projesi" auf Türkisch Projekt), ist der Ausgangspunkt von Oda 
                          Projesis Arbeit der Raum, wie man verschiedene Orte 
                          und räumliche Situationen kreieren und neu formulieren 
                          kann durch verschiedene Formen ihrer Nutzung. Beispielsweise: 
                          Wie können gemeinsam mit unterschiedlichen Personengruppen 
                          neue Funktionen öffentlicher Orte wie ein Platz oder 
                          eines leeren Raums in einer Wohnung gefunden werden? 
                          Oder einer architektonisch gestalteten Passage wie dem 
                          Atrium im Galeriahaus, zu dem von den Behörden für Nicht-BewohnerInnen 
                          der Zutritt verboten wurde und wo Spielen verboten war?
                          Die drei Künstlerinnen Özge Acikkol, 
                          Gunes Savas und Secil Yersel arbeiten seit 1997 zusammen. 
                          Sie begannen damit, die sich in den öffentlichen Räumen 
                          ihrer Heimatstadt Istanbul bietenden Möglichkeiten aufzugreifen 
                          und veranstalteten mit Kindern Workshops, in denen gezeichnet, 
                          gemalt und dann ihre Arbeiten vor Ort ausgestellt wurden.[1] 
                          Im Jahr 2000 nahm die Gruppe den Namen Oda Projesi an 
                          und mietete eine 3-Zimmer-Wohnung in Galata, demselben 
                          Bezirk, in dem sie mit ihren Workshops begonnen hatte. 
                          Galata war damals ein noch nicht gentrifiziertes Viertel 
                          Istanbuls, und befindet sich nahe der berühmten Fußgängerzone 
                          Istiklal und 
                          einem Unterhaltungsviertel, in das viele der ZuwanderInnen 
                          aus den östlichen Regionen der Türkei bei ihrer Ankunft 
                          in der Stadt kommen. Das Leben in den engen, überfüllten 
                          Straßen und kleinen Höfe ist lebendig.[2] 
                          Es wohnt jedoch keine der Künstlerinnen in der Wohnung, 
                          die als nachbarschaftlicher Treffpunkt und als Plattform 
                          für Projekte dient, die zusammen mit den BewohnerInnen 
                          des Viertels und anderen drinnen und draußen erarbeitet 
                          werden.
                          Die Künstlerinnen sind mit der 
                          Umgebung in Galata und ihren Nachbarn vertraut geworden, 
                          vor allem mit den Kindern, die sich während meiner Besuche 
                          im Oktober 2001 und im September 2003 in der Wohnung 
                          ganz selbstverständlich zu Hause und in Frieden fühlten. 
                          Die einzelnen Aktivitäten sind unterschiedlich, gemeinsam 
                          ist ihnen, dass es nicht um das Zeigen oder Ausstellen 
                          eines Kunstwerks geht, sondern darum, Kunst als Mittel 
                          einzusetzen, um neue Beziehungen zwischen Menschen durch 
                          unterschiedlichste Beobachtungen/Untersuchungen und 
                          die Formung öffentlichen ebenso wie privaten Raums (wieder)herzustellen. 
                          Oda Projesi ließ sich davon inspirieren, wie die EinwohnerInnen 
                          von Istanbul ihre Stadt benützen, ohne immer die Regeln 
                          und Gesetze zu beachten: zum Beispiel, wie Geschäftsleute 
                          geschickte Lösungen finden, um ihre Ware ohne zusätzliche 
                          Kosten außerhalb des Ladens zu zeigen oder Zubauten 
                          zu Wohngebäuden errichtet werden.
                          Ein Raum der Wohnung in Galata 
                          dient als Treffpunkt, mit einer Menge von Zeichenmaterialien, 
                          Kunst- und Kinderbüchern. Ein weiterer Raum wird manchmal 
                          für Kunstprojekte genützt, ein dritter fungiert als 
                          Archiv, aber die KünstlerInnen können auch den Rest 
                          der Wohnung benützen oder deren Nutzung verändern. Auch 
                          die Umgebung wird genutzt. Beispielsweise lud der Künstler 
                          Erik Göngrich als Teil seiner Studie Istanbuls als 'Picknick 
                          City" alle Nachbarn zu einem Picknick in den kleinen 
                          Hof ein, der mit jenen Plastikmatten bedeckt war, die 
                          für Picknicks ebenso wie als Gebetsmatten verwendet 
                          werden. In der Wohnung, veranstaltete die örtliche Theatergruppe 
                          Tem einen Kinderworkshop zu verschiedenen Formen des 
                          Schauspielens. Die in Istanbul ansässige Architektengruppe 
                          Heterotopya veranstaltete vor Kurzem mit Kindern eine 
                          Diskussion über die Neugestaltung des geschlossenen 
                          und mit Steinen ausgelegten Hofs. Dabei wurden Vorschläge 
                          für ein Schwimmbad ebenso entwickelt wie für einen Garten 
                          mit Schaukeln.
Oda Projesi ist ein permanentes Projekt, von den Künstlerinnen selbst initiiert und finanziert. Es ist nicht Teil eines Programms oder einer Kampagne, es verfügt weder über Öffnungszeiten noch macht es Werbung. Wenn andere KünstlerInnen zur Mitarbeit eingeladen werden, kommen die Leute aus der Nachbarschaft zu den Eröffnungen, ansonsten ist es möglich, nach mündlicher Vereinbarung vorbeizukommen. Wenn die Mitglieder verreisen, geben sie den Schlüssel an die Nachbarn, die auf die Wohnung acht geben und die Kinder und andere, die sie benützen wollen, hineinlassen. Dadurch wird die Wohnung zu einem Ort mit Eigenschaften des Privaten ebenso wie des Öffentlichen. Das Verständnis und die Benützung des Raums stehen Michel de Certeaus Ansatz des Alltäglichen, Gebrauchsorientierten und Pragmatischen nahe: Der Raum ist ein Resultat der Aktivitäten, die ihn beeinflussen und sogar bestimmen, die ihn in einem Zeitrahmen situieren und ihn dazu bringen, unter einander widersprechenden Benützungen und Verständnissen zu funktionieren. Demzufolge ist Raum eine Sache von Aktualisierung und von aktiver Benützung sowie der Ambivalenzen und inneren Abhängigkeiten, die durch seine Verwendung zutage treten. Wie wenn ein Wort ausgesprochen wirde, erhält er die verschiedenen Bedeutungsebenen durch seine spezifischen Kontexte.[3]
Die Arbeit von 
                            Oda Projesi ist zu jener vielgestaltigen Richtung 
                            zeitgenössischen Kunst zu zählen, die interaktiv agiert 
                            und in der öffentliche und semiöffentliche Räume genützt 
                            werden. Die Gruppe schafft Situationen für verschiedene 
                            Formen des Austauschs, die sich auf Intimität und 
                            persönlichen Kontakt konzentrieren, und ihre Arbeit 
                            wurde sogar als eine Reflexion darüber, was öffentliche 
                            Kunst ist und sein kann beschrieben, beziehungsweise 
                            darüber, wie diese in der zeitgenössischen Kunst funktionieren 
                            könnte.[4] 
                            Gerade da es in diesem Feld so viele Unterschiede 
                            gibt, scheint der Versuch um so wichtiger, einige 
                            der spezifischen Punkte einer der Praxen zu erfassen. 
                            Auf den ersten Blick ließe sich Suzanne Lacys Definition 
                            von "New Genre Public Art" auf Oda Projesis 
                            Arbeit anwenden: "New Genre Public Art fordert 
                            eine integrative kritische Sprache, durch die Werte, 
                            Ethik und soziale Verantwortung mit künstlerischen 
                            Mitteln diskutiert werden können."[5] 
                            Dieses Arbeitsmodell 
                            baut eher auf den Verhältnissen zwischen Menschen 
                            und auf sozialer Kreativität als auf Selbstdarstellung 
                            auf und ist durch Kooperationen charakterisiert. Es 
                            bezieht sich auf spezifische, oft marginalisierte, 
                            Gruppen der Gesellschaft, ist sozial engagiert, interaktiv 
                            und richtet sich an andere, weniger anonyme Öffentlichkeiten 
                            als jene der Kunstinstitutionen. In der "New 
                            Genre Public Art" geht es um kreative Partizipation 
                            als Prozess. Die Aktivitäten finden meist außerhalb 
                            etablierter Kunstinstitutionen, in sozialen Kontexten 
                            wie Wohnsiedlungen oder Schulen statt. Dadurch entsteht 
                            eine Art umgekehrter Ausschließung: Diejenigen, die 
                            durch das Projekt angesprochen und "erobert" 
                            werden, haben eher Zugang dazu als das übliche Kunstpublikum.
                            Ein wesentlicher Unterschied 
                            im Verhältnis zur den meisten "New Genre Public 
                            Art"-Projekten liegt jedoch darin, dass Oda Projesi 
                            nicht reaktiv ist, es also nicht in erster Linie auf 
                            ein soziales oder kulturelles Problem reagiert. Ebenso 
                            wenig werden die Personen, mit denen die Gruppe arbeitet 
                            - die Zielgruppe - als "Andere" behandelt 
                            oder beschrieben; traditionelle Public Art verharrt 
                            eher in der Position der Konstruktion eines "Anderen". 
                            Kurz gefasst, mangelt es Oda an einer "reformistischen" 
                            oder Weltverbesserungsrhetorik im Verhältnis zu einem 
                            "Anderen". Oda Projesi will aber auch keine 
                            Kampagne führen, um die Welt zu verändern, weshalb 
                            es auch keinen Aktivismus à la "Park 
                            Fiktion" 
                            gibt.[6] 
                            Sie haben auch keinerlei Verbindungen zu spirituellen 
                            oder "heilenden" Traditionen, welche Suzanne 
                            Lacy in der "New Genre Public Art" sieht. 
                            Selbst wenn Oda Projesi ihre Projekte oft an öffentlichen 
                            oder semi-öffentlichen Orten stattfinden lässt, geht 
                            es nicht um "Public Art" im eigentlichen 
                            Sinn, da es keine öffentlichen AuftraggeberInnen gibt 
                            und der öffentliche Raum nicht spezifisch thematisiert 
                            wird. Obwohl sie gelegentlich ein freundlich-liebliches 
                            Image haben, ist ihre Arbeit nicht didaktisch, indem 
                            sie sich beispielsweise an definierte Zielgruppen 
                            unterprivilegierter BürgerInnen richtet. Trotzdem 
                            will Oda Projesi, wenn auch in einer Mikro-Perspektive, 
                            ebenso wie der große, alte Mann der sozialen und behaviouristischen 
                            Nachbarschaftsprojekte, Stephen Willats, zu einer 
                            Veränderung gesellschaftlichen Funktionierens beitragen. 
                            Dies findet oft durch den Versuch statt, das Bewusstsein 
                            über die Codes des Lebens um uns zu verändern. Für 
                            Willats ist das Verhältnis zwischen Arbeit und Öffentlichkeit 
                            selbst das Werk, aber dies ist schwer auf Oda Projesi 
                            umzulegen, da ihr Verständnis dessen, was Öffentlichkeit 
                            konstituiert, differenzierter und ihre Konzeption 
                            des Kunstwerks offener und weniger objektorientiert 
                            ist.[7]
                            Abgesehen von Dokumentationen 
                            ist Oda Projesi sehr darauf bedacht, keine Objekte 
                            zu hinterlassen, die als Kunst interpretiert werden 
                            kann, die ausgestellt werden soll. Die Dokumentationen 
                            werden hingegen zu einer Art Tagebuch, in dem die 
                            Aktivitäten nach ihrem Stattfinden persönlich verzeichnet 
                            und kommentiert werden. Trotzdem hat die Gruppe ihre 
                            Arbeit paradoxerweise als einer Form der Schaffung 
                            eines Monuments diskutiert. Sie sagt, dass sie "ein 
                            Monument schaffen wollen, das aus den Gesten des Alltags 
                            und den Schichten der Erinnerung der Gemeinschaft" 
                            komponiert ist, und weist darauf hin, dass dies immer 
                            zusammen mit, jedoch nicht für die TeilnehmerInnen 
                            passiert.[8] 
                            Der Gruppe schwebt ein abstraktes Monument vor, in 
                            fluider Form, aber konkret im Gedächtnis, das den 
                            Bemühungen der TeilnehmerInnen gewidmet ist, den Raum 
                            zu untersuchen und Vorschläge für alternative Nutzungen 
                            zu formulieren, was wiederum zu einer Neudefinition 
                            und Umstrukturierung gesellschaftlicher Verhältnisse 
                            beitragen kann.
                            Hierin unterscheidet sich Oda 
                            Projesis Verständnis radikal von einem der in letzter 
                            Zeit meist diskutierten und deshalb auch "ikonischen" 
                            Monument-Werk, das in einer Wohnsiedlung unter Involvierung 
                            der BewohnerInnen realisiert wurde, nämlich Thomas 
                            Hirschhorns "Bataille 
                            Monument" in der Friedrich-Wöhler-Siedlung, 
                            das ein Teil der Documenta11 in Kassel im Sommer 2002 
                            war. Sowohl Oda Projesi als auch Hirschhorn beziehen 
                            sich auf die Idee des klassischen Monuments und stellen 
                            es in Frage. Thomas Hirschhorns Strategie umfasst 
                            die Benützung einfacher und vergänglicher Materialien, 
                            wenn er seine Monumente, die klassischerweise "großen" 
                            Männern wie Spinoza und Deleuze gewidmet sind, an 
                            abgelegenen Orten errichtet. Sein Ziel ist es, Kunst 
                            zu produzieren und für das "Bataille 
                            Monument" hatte er einen vorbereiteten, 
                            zum Teil umgesetzten Plan, für dessen Umsetzung er 
                            Hilfe Benötigte. Einige der jüngeren, arbeitslosen 
                            BewohnerInnen des Bezirks machten die Arbeit in der 
                            Bibliothek und errichteten ein TV-Studio und wurden 
                            dafür auch bezahlt. Sie hatten die Rolle von "Ausführenden" 
                            und nicht von "Mit-Schaffenden".
Die BewohnerInnen in der Arbeitersiedlung erschienen als "anderes" und schillerndes Element in einem Projekt, das vor allem eine Kritik an einem Kunstgenre und nicht an sozialen Strukturen repräsentierte. Hirschhorns Arbeit wurde deshalb verständlicherweise für das Ausstellen und Exotisieren marginalisierter Gruppen und somit eine Form sozialer Pornographie kritisiert. Er selbst wollte die Grenzen einer der zeitgenössischen Kunstschauen von höchstem Prestige austesten.[9] Während Thomas Hirschhorn einen Unterschied zwischen Sozial- und Kunstprojekten unterscheidet, wobei seine Arbeit klar zur zweiten Kategorie gehört, ist es viel schwieriger, diese Unterscheidung für Oda Projesi zu machen. Die KünstlerInnen haben lose Verbindungen mit der Kunstwelt und sind weniger mit der Frage beschäftigt, was Kunst ist, und was nicht. Es reicht aus, dass Kunst eine Methode und eine Zone für bestimmte Aktivitäten zur Verfügung stellt. Gleichzeitig arbeiten sie mit Gruppen von Leuten aus ihrer unmittelbaren Umgebung und ermöglichen diesen, auf das Projekt Einfluss zu nehmen. Deshalb ist Oda Projesis Arbeit ebenso sozial wie künstlerisch, aber ohne offizielle AuftraggeberInnen, zum Beispiel eine lokale Behörde, die Sozialreformen oder messbare Verbesserungen erwartet.
In ihrem Projekt 
                            in der Messestadt Riem auf Einladung der kunstprojekte_riem, 
                            das in Kooperation mit dem Kunstverein München durchgeführt 
                            wurde, wurde diese doppelte Qualität ihrer Arbeit 
                            ausgedrückt und zum Thema gemacht.[10] 
                            Obwohl die Wohnung in Galata das Zentrum ihrer Arbeit 
                            darstellt, repräsentiert sie diese nicht in ihrer 
                            Gesamtheit. Während der letzten Jahre führten die 
                            Künstlerinnen auf Einladung von Kunstinstitutionen 
                            und -organisationen verschiedene Projekte durch, die 
                            kürzer waren als das in Galata und oft in anderen 
                            kulturellen und soziopolitischen Kontexten stattfanden.[11] 
                            Alle BewohnerInnen von Riem wurden vorab mittels eines 
                            Briefs informiert, dass Oda Projesi über einen Monat 
                            täglich für drei Stunden im Projektraum der kunstprojekte_riem 
                            zur Verfügung stehen würde.[12] 
                            Der Raum, der sich neben dem offiziellen - und meist 
                            verwaisten - "BewohnerInnentreff" 
                            und einer angrenzenden Küche befand, die auf die 
                            Straße geht und deshalb weniger privat ist, wurde 
                            stark frequentiert. Zusammen mit den TeilnehmerInnen 
                            versuchten die KünstlerInnen, eine Form der Benützung 
                            des Raums zu finden, für das sie nicht verantwortlich 
                            sein würden, den sie aber als BewohnerInnen der Gegend 
                            zum Beispiel für gegenseitiges Frisieren, Tupperware 
                            Parties und die Zubereitung von Essen benützen konnten. 
                            Vor allem die türkischen Frauen schätzten die Küche 
                            als Treffpunkt. Die Möblierung des Projektraums wurde 
                            verändert, teilweise in Verbindung mit jeder einzelnen 
                            Veranstaltung, und der Raum hatte schließlich ein 
                            völlig anderes Erscheinungsbild als am Beginn.
                            Die meisten Sozialkontakte 
                            wurden allerdings von einem türkischen Ehepaar, das 
                            einen kleinen Laden gegenüber dem BewohnerInnentreff 
                            betreibt, hergestellt. Schon aus sprachlichen Gründen 
                            - keines der Mitglieder von Oda Projesi spricht deutsch 
                            - waren die meisten der TeilnehmerInnen türkischsprachig. 
                            Zusätzlich zu den Aktivitäten in Projektraum und Küche 
                            wurden Videos über die Umgebung gedreht, die in dem 
                            Laden gezeigt wurden. BewohnerInnen machten Führungen, 
                            und es gab eine Teeparty mit Musik und Tanz im Galeriahaus. 
                            Eine lange Papierrolle fungierte bei einigen dieser 
                            Anlässe als soziales Instrument: Die Leute wurden 
                            aufgefordert, darauf zu schreiben und zu zeichnen, 
                            was die Unterhaltung untereinander förderte. Wie so 
                            oft bei Oda Projesi, bestand das "Publikum" 
                            im Grunde aus den TeilnehmerInnen, die alle die Künstlerinnen 
                            kennen gelernt hatten. Die Tatsache, dass es nur selten 
                            ein außenstehendes, ausschließlich beobachtendes Publikum 
                            gibt, vermindert den Inszenierungscharakter. Wer anwesend 
                            ist, nimmt teil, und die persönliche Anwesenheit der 
                            Künstlerinnen ist zentral, was eine ungewöhnlich vertraute, 
                            von Außenstehenden nur schwer nachvollziehbare Beziehung 
                            erzeugt.
Oda Projesi teilt 
                          die Betonung auf zwischenmenschlichen Beziehungen mit 
                          verschiedensten Gruppen, die von Nicolas Bourriaud mit 
                          dem Begriff "relationale Ästhetik" umschrieben 
                          wurde. Demzufolge sind Beziehungen zwischen Menschen 
                          das Grundmaterial dieser KünstlerInnen; sie konzentrieren 
                          sich auf gesellschaftlichen Austausch, thematisieren 
                          Kommunikationsprozesse und interagieren mit den BetrachterInnen.[13]  
                          Wie Oda Projesis Arbeiten ist auch Dan Petermans 
                          Projekt "The Shop" in Chicago an eine bestimmte 
                          Community gerichtet und basiert auf gemeinsamen Aktivitäten, 
                          die nicht "ausgestellt" werden. In Petermans 
                          Fall ist das eine Fahrradwerkstätte in einem heruntergekommenen 
                          Stadtteil. Noch vergleichbarer ist die Arbeit von Oda 
                          Projesi mit Rirkrit Tiravanija, einem anderen Künstler, 
                          der mit "relationaler Ästhetik" in Verbindung 
                          gebracht wird und dessen Arbeit ebenso einen hohen Grad 
                          an Offenheit in Hinblick darauf aufweist, dass soziale 
                          Situationen von den Teilnehmenden geschaffen und gestaltet 
                          werden, und er sich mit neuen Möglichkeiten der Benützung 
                          von Raum und der Neugestaltung alltäglicher Praxen befasst.
                          Sowohl Oda Projesi als auch Rirkrit 
                          Tiravanija vermengen absichtlich das Private und das 
                          Öffentliche, mit allen Mitteln der Informalität und 
                          Nähe. Sie arbeiten mit Menschen, die oft etwas gemeinsam 
                          tun. Die Initiative liegt bei der Öffentlichkeit, oft 
                          Kindern und Jugendlichen, denen es oft leichter fällt, 
                          gegen vorherbestimmte Verhaltensweisen und Anwendungsformen 
                          zu handeln.[14] 
                          Im Zentrum der Projekte stehen Zusammenarbeit und Partizipation. 
                          Obwohl Oda Projesi und Rirkrit Tiravanija keine großen 
                          politischen Ansprüche verfolgen, gibt es immer die Idee 
                          der Veränderung. Wie immer, wenn menschliche Beziehungen 
                          zentral sind, ist es nicht leicht, wenn nicht sogar 
                          unmöglich, genau zu beschreiben, was passiert und den 
                          Erfolg zu bemessen. Trotzdem ist klar, dass die Methode 
                          entscheidend ist: Bei Oda Projesi bildet die Methode 
                          in Kombination mit der Auseinandersetzung mit einem 
                          konkreten Raum das Wesen der Arbeit.
                          In diesem 
                          Zusammenhang ist kann die von dem in Wien ansässigen 
                          Kritiker Christian Kravagna’s getroffene Unterscheidung 
                          in vier verschiedene Arbeitsmethoden in der mit sozialer 
                          Interaktion befassten zeitgenössischen Kunst hilfreich 
                          sein: "Arbeit mit anderen", Interaktivität, 
                          kollektives Handeln und partizipatorische Praxis. Der 
                          1998 verfasste Text mit dem Titel "Modelle partizipatorischer Praxis" zeichnet das Bild einer Gesellschaft, 
                          in der ein weit verbreitetes politisches Ohnmachtsgefühl 
                          besteht, und in der reale oder drohende Arbeitslosigkeit 
                          an jeder Ecke lauert.[15]  
                          Er bezieht sich auf das Konzept der "Bürgerarbeit" 
                          des Soziologen Ulrich Beck, das die Aktivierung ungenutzter 
                          Potenziale für politisches Engagement zur Schaffung 
                          einer engagierten Zivilgesellschaft vorschlägt. "Bürgerarbeit" 
                          würde von der Sozialhilfe abhängige Menschen in organisiertes, 
                          soziales Engagement einbinden, von der Sterbehilfe über 
                          die Obdachlosenbetreuung bis zu Kunst und Kultur. Für 
                          Christian Kravagna ist das nichts anderes als ein Trick, 
                          durch den die reduzierten Möglichkeiten politischer 
                          Partizipation mit "sozialer Aktivität" in 
                          der Form unbezahlter Bürgerarbeit kompensiert werden. 
                          Nach Becks Modell sind die Menschen sinnvoll beschäftigt 
                          und werden dafür sogar "belohnt", haben also 
                          keinen Grund, unruhig zu werden. Und der Staat spart 
                          Geld. 
                          Auch wenn 
                          das von Christian Kravagna gezeichnete Bild etwas zu 
                          schwarz/weiß sein , die Beschreibung des "Politischen" 
                          etwas verschwörungstheoretisch geraten sein und der 
                          Text nicht frei von Widersprüchen sein mag, ist er bei 
                          einer der Positionierung von Oda Projesi innerhalb der 
                          verschiedenen, heute gängigen partizipatorischen Ansätzen 
                          vonnutzen. Zu Recht weist er darauf hin, dass "Partizipation" 
                          als Praxis in der Kunst des 20. Jahrhunderts immer dort 
                          eine Rolle spielt, wo es um die Selbstkritik der Kunst 
                          geht, die Position des/r AutorIn in Frage gestellt wird 
                          oder es um das Verhältnis zwischen Kunst und "Leben" 
                          geht. Als Vertreterinnen der ersten von ihm eingeführten 
                          Kategorie, "Arbeit mit anderen", nennt er 
                          KünstlerInnen wie Rirkrit Tiravanija, Irene und Christine 
                          Hohenbüchler sowie Jens Haaning. Seiner Ansicht nach, 
                          sind diese Praxen nicht anderes als modischer Sozio-Chic, 
                          der keine weitere Auseinandersetzung erforderlich macht. 
                          Er zitiert die KünstlerInnen Alice Creischer und Andreas 
                          Siekmann, die diesen Vorgangsweisen einen "ausgeprägten 
                          Ausbeutungscharakter" zuschreiben, da die betreffenden 
                          KünstlerInnen zwar die Produktion auslagerten, aber 
                          den Mehrwert abschöpften. 
                          Die zweite 
                          Kategorie, Interaktivität, lässt, wie er sagt, eine 
                          oder mehrere Reaktionen zu, die das Werk in seiner Erscheinung 
                          beeinflussen, seine Struktur aber nicht grundlegend 
                          verändern. Christian Kravagna bringt dafür keine Beispiele, 
                          aber wir können uns vorstellen, dass er sich auf Arbeiten 
                          aus den so genannten "Neuen Medien" Medien 
                          bezieht, wo man auf einen Knopf drücken darf, oder auf 
                          Arbeiten, die ein Konsumangebot beinhalten. Die dritte 
                          Kategorie, kollektive Praxis, meint, dass eine Gruppe 
                          von Leuten eine Idee formuliert und sie dann zusammen 
                          umsetzt. Auch hier nennt er kein Beispiel, aber Park 
                          Fiction könnte als solches stehen. Die vierte von ihm 
                          genannte Kategorie, partizipatorische Praxis, geht von 
                          einer Differenz zwischen Produzierenden und Rezipierenden 
                          aus, jedoch mit Konzentration auf Letzteren, denen ein 
                          wesentlicher Anteil der Konzeption einer Arbeit überantwortet 
                          wird. Sein Hauptinteresse gilt partizipatorischen Ansätzen 
                          und er bespricht Arbeiten wie Adrian Pipers "Funk 
                          Lessons" (1982-84), Clegg & Guttmans 
                          "Offene 
                          Bibliothek" (1991 und 1993), Stephen Willats 
                          "Vertical 
                          Living" (1978) sowie die von Susanne Lacy 
                          so genannte "New Genre Public Art".[16] 
                          Während die drei ersten Arbeiten als von ihm erfolgreich 
                          betrachtet werden, kritisiert er "New Genre Public 
                          Art" als traditionell, essentialistisch, moralisierend, 
                          mystifizierend und pastorale Züge aufweisend. 
                          Sowohl hinsichtlich 
                          der Produktion als auch der kuratorischen Arbeit, kann 
                          Christian Kravagnas erste Kategorie, 
                          "Arbeit mit anderen", als Überbegriff für 
                          die folgenden drei Kategorien dienen. Sie kann alle 
                          davon oder nur einige umfassen, innerhalb einer künstlerischen 
                          Methode im Allgemeinen oder in einem bestimmten Projekt, 
                          doch gibt es einige Besonderheiten, die den anderen 
                          Kategorien fehlen, von denen "Offenheit" die 
                          Umstrittenste, aber auch Relevanteste in Hinblick auf 
                          Oda Projesis Arbeiten sein dürft. Das Problem der Ausbeutung 
                          ist sehr komplex, doch wenn von Rirkrit Tiravanija, 
                          Irene und Christine Hohenbüchler sowie Jens Haaning 
                          gesagt wird, dass sie den Mehrwert nur für sich abschöpfen, 
                          so gilt dies zweifellos auch für die angeführten Projekte 
                          von Adrian Piper, Clegg & Guttman und Stephen Willats. 
                          Oda Projesis Arbeit verkörpert wahrscheinlich eine Zwischenform, 
                          da sie alle vier Ansätze umfasst, aber mit einem offeneren 
                          Konzept der künstlerischen Arbeit, manchmal in mehreren 
                          Projekten, manchmal in ein und demselben. Darin liegt 
                          möglicherweise die Stärke ebenso wie die Schwäche ihrer 
                          Arbeiten, von alltäglichen, oft räumlichen, Ausgangspunkten 
                          zu verschiedenen Projekten mit Menschen in deren unmittelbarer 
                          Umgebung, durch die gar nicht so kleine Veränderungen 
                          in Denkweisen und Beziehungen zu einander hergestellt 
                          werden. Der politische Diskurs im Zusammenhang mit diesen 
                          Aktivitäten müsste allerdings noch weiter entwickelt 
                          werden.
In Oda Projesis 
                            Ansatz gibt es mehr als nur einen Stolperstein. Im 
                            Zusammenhang mit der kuratorischen Arbeit in einem 
                            institutionellen Rahmen, führt es das Dilemma vor 
                            Augen, wie mit zeitgenössischen Kunst umgegangen werden 
                            soll, die aus den Institutionen hervorgeht und außerhalb, 
                            als Teil von öffentlichen oder semi-öffentlichen Räumen 
                            und in enger Auseinandersetzung mit dem Alltäglichen 
                            funktioniert. Da Oda Projesi ein eher distanziertes 
                            Verhältnis zum Kunstsystem pflegen und keine Objekte 
                            oder Bilder für Ausstellungen in Kunstinstitutionen 
                            produzieren, haben sie ein undefiniertes Verhältnis 
                            zu Ausstellungen als Medium und teilweise auch zu 
                            den Institutionen als kodierte Orte. Dies wurde sichtbar, 
                            als die Dokumentation des Projekts in der Messestadt 
                            Riem als dessen Fortsetzung und Diskussion unter dem 
                            Titel The Room 
                            Revisited im Kunstverein München gezeigt wurde.[17] 
                            Die Situation wurde dadurch radikal verändert und 
                            Oda Projesi nun etwa war mit außenstehenden BetrachterInnen 
                            konfrontiert, die keinen direkten Kontakt zum Projekt 
                            hatten. Die Präsentation wurde dieser Situation angepasst; 
                            neben verschiedenen Dokumentationsformen planten die 
                            KünstlerInnen den Raum so, dass er dem Projektraum 
                            in der Messestadt Riem ähnelte - eine Raumnutzung, 
                            die nicht dem "White Cube" entspricht.
                            Im "Kabinett", einem 
                            intimen Raum in der Mitte des Treppenhauses in dem 
                            der speziell als Galerie gebauten Raum aus dem späten 
                            18. Jahrhundert, der mit einem Teppich, Stoffen und 
                            Pölstern auf dem Boden ausgestattet war, wurde auf 
                            einem Monitor das 14-minütige Video "Riem 
                            Rooms" gezeigt. Auf dem Boden lagen auch 
                            kleine Photos zum Mitnehmen, offizielles Informationsmaterial 
                            aus dem Bezirk und ein "Raum-Notizbuch", 
                            eine von den KünstlerInnen zusammengestellte, fotokopierte 
                            Dokumentation mit Notizbuch, das die BesucherInnen 
                            ebenso mitnehmen konnten. Große Farbfotos von einigen 
                            der Räume, in denen Oda Projesi in den letzten Jahren 
                            gearbeitet hat, waren an der Wand außerhalb des "Kabinetts" 
                            aufgehängt. "The Room Revisited" 
                            war weder eine Ausstellung, noch im engeren Sinn 
                            eine Dokumentation auf der Basis von Oda Projesis 
                            Erfahrungen in der Messestadt Riem. In gewisser Weise 
                            wirkte es etwas deplaziert, was auch durch einige 
                            Reaktionen sowohl von Seiten des Publikums als auch 
                            der Kunstkritik bestätigt wurde.
                            Besonders seit den 1990er Jahren 
                            gab es eine Reihe von Versuchen, Kunstausstellungsräume 
                            zu verändern, den "White 
                            Cube" in Frage zu stellen, in etwas anderes als 
                            strenge und manchmal autoritäre "Schauräume" 
                            zu verwandeln. Inspiriert von der Club-Kultur und 
                            Bar-Atmosphäre, wurden diese Ort oft u.a. in Orte 
                            zum Ausgehen und Abhängen - in undramatische, entspannte 
                            Räume - verwandelt, aber auch in Schneiderwerkstätten, 
                            Tätowierungs-Studios, Partnervermittlungsbörsen, etc. 
                            Ausstellungsräume wurden auch als Büros und Treffpunkte 
                            für AktivistInnen benützt, wodurch sie Aufgaben von 
                            Gemeindezentren oder Kulturläden übernahmen - oft 
                            im Zusammenhang mit künstlerischen Projekten. Meist 
                            vernachlässigt, aber ebenso wichtig für die Veränderungen 
                            des Verständnisses der Institutionen zeitgenössischer 
                            Kunst ist die Initiative dieser Institutionen, Projekte 
                            zu finanzieren und zu produzieren, die nichts oder 
                            nur wenig mit dem physischen Raum der Institution 
                            zu tun haben. Auf indirekte, aber greifbare Weise 
                            trugen sie so zu einer Erosion des konventionellen 
                            Verständnisses der Institution als Orte der Ausstellung 
                            von Kunstobjekten bei, indem sie die Institutionen 
                            als Strukturen der Unterstützung, Produktion und Verbreitung 
                            durch alternative Kanäle und an Orten außerhalb ihrer 
                            eigenen unterstrichen. Kurz, sie unterstützten eine 
                            "De-Duchampifizierung" der Institution. 
                            
                            Ein 
                            Jahr nach meiner Arbeit mit Oda Projesi und dem Projekt 
                            "The Room Revisited" im Kunstverein München bin ich noch immer 
                            mit der Frage beschäftigt, wie wir diese - sehr wichtigen 
                            - Arbeitsformen wie jene von Oda Projesi in die institutionelle 
                            Programmierung einbringen können. Es ist künstlerische 
                            Arbeit, die innerhalb des Kunstfelds stattfinden, 
                            aber anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern ähnelt 
                            oder diesen sogar eher angehört. Naturgemäß diskutiert 
                            Oda Projesi nicht über die Frage, was Kunst ist, und 
                            was nicht. Stattdessen nützen die  
                            KünstlerInnen den Vorteil, innerhalb dieses 
                            bestimmten Felds arbeiten zu können. Ihre Arbeit baut 
                            auf regelmäßigem, langfristigen Engagement und persönlicher 
                            Präsenz auf. Wenn sie aber von Institutionen eingeladen 
                            werden, verbringen sie nur kurze Zeit an Orten, über 
                            die sie vorher meist wenig wissen, was die Gefahr 
                            von Oberflächlichkeit und von Alibihandlungen mit 
                            sich bringt. Sollten wir in Anbetracht all dieser 
                            Dilemmata diese Arbeitsformen sich selbst und den 
                            wenigen Organisationen, die sie unterstützen, überlassen? 
                            Oder sollten wir darauf bestehen, uns damit auseinander 
                            zu setzen und damit das Risiko eingehen, die Arbeiten 
                            zu kompromittieren und sowohl dem allgemeinen Publikum 
                            als auch den KollegInnen auf die Nerven zu gehen? 
                            
                            In einer 
                            solchen Situation sollten institutionelle Politiken 
                            nicht übersehen werden. Die Biographie von Oda Projesis 
                            Projekt begann damit, dass kunstprojekte_riem mit 
                            dem Münchener Kunstverein in Kontakt traten und wegen 
                            einer Kooperation anfragten. Diese waren zu jener 
                            Zeit unter starkem politischen Druck, im Stadtzentrum 
                            von München mehr Sichtbarkeit zu erlangen. Wie nannten 
                            Oda Projesi als interessante Möglichkeit, vor allem, 
                            da es uns nicht gelungen war, die Mittel für eine 
                            Aktion der Gruppe in München in Zusammenhang mit ihrer 
                            Teilnahme an der Gruppenausstellung "Exchange 
                            & Transform" (Arbeitstitel) 2002 zu 
                            lukrieren.[18]  
                            kunstprojekte_riem beschlossen schließlich, 
                            Oda Projesi einzuladen und wir boten beiden an, etwas 
                            in den Räumen des Kunstvereins zu machen. Dieser Prozess 
                            ließ danach fragen, zu welchem Grad das Einladen von 
                            KünstlerInne wie Oda hauptsächlich dazu dient, das 
                            Bedürfnis der Institution, ihre Unterstützung von 
                            Arbeiten in sozialen Kontexten zu rechtfertigen. Meine 
                            erste Antwort wäre, die Arbeit in ihrer ursprünglichen 
                            Umgebung, also dort, wo sie herkommt, zu unterstützen, 
                            was von Vorständen und GeldgeberInnen, die eher Aktivitäten 
                            in den Ausstellungsräumen als in entfernten Vororten 
                            erwarten, nicht gerne gesehen wird. Eigentlich aber 
                            sehe ich "The 
                            Room Revisited" als ein weiteres Beispiel 
                            dafür, dass Oda Projesi in "de Certeauscher" 
                            Weise ständig aufs Neue die konventionelle Nutzung 
                            von Räumen hinterfragen. Wie sie durch die Veranstaltung 
                            von Aktivitäten, die sich mit ambivalenten oder manchmal 
                            sogar inkompatiblen Formen der Nutzung und des Verständnisses 
                            von Raum sogar den institutionellen Raum aktualisieren. 
                             
http://www.kunstprojekte-riem.de/deutsch/veranstaltungen/veranstal_26_03_2003_d.html
[1] Zu diesem Zeitpunkt fanden weder in Kunstmuseen noch in anderen Museen Workshops für Kinder oder andere Personen statt.
[2] Galata wurde in dem Film Windows von Belmin Soylemez dokumentiert. Oda Projesi benützte den Film in Ausstellungen als Teil der Präsentation ihrer Aktivitäten, zum Beispiel in der Ausstellung Exchange & Transform (Arbeitstitel) im Kunstverein München im Sommer 2002.
[3] vgl. Michel de Certeau: Die Kunst des Handelns, Berlin: Merve, 1988
[4] Ana Paula Cohen: Dispositiv Workshop – Teil 1: Oda Projesi, Drucksache Spring 03, Kunstverein München, 2003
[5] Suzanne Lacy: Mapping the Terrain: New Genre Public Art, Seattle, Washington: Bay Press, 1995, S.43. Lacy verwendet den Begriff, um eine Reihe sehr unterschiedlicher Projekte in den USA von den 1970er Jahren bis zu den 1990ern, von Adrian Piper bis zu den Mujeres muralistas, zu besprechen.
[6] Vgl. z. B. Christoph Schäfer & Cathy Skene: Aufruhr auf Ebene p: St. Pauli Elbpark O-100%, in: Marius Babias und Achim Könneke (Hg.): Die Kunst des Öffentlichen, Amsterdam & Dresden: Verlag der Kunst, 1998. Park Fiktion ist eine aktivistische Initiative, die von einer Gruppe von KünstlerInnen und anderen AnrainerInnen gegründet wurde, um die Gentrifizierung St. Paulis in Hamburg zu verhindern und vor allem eine Grüngelände als Park zu erhalten.
[7] Vgl. z.B. Stephen Willats: Living Together, Ausstellunskatalog, Tramway, Glasgow, 1995. Obwohl er sich auf Kooperation und den Prozess konzentrierte, produzierte Willats produced objektorientierte Kunst, die regelmäßig in “White Cube”- Räumen ausgestellt wird.
[8] Ana Paula Cohen, Dispositiv Workshop – Teil 1: Oda Projesi, Drucksache, Spring 03, Kunstverein München, 2003
[9] Vgl Michaela Pöschl, Hirschhorn's Wurst, in: Kulturrisse 04/02, http://igkultur.at/igkultur/kulturrisse/1035718151/1035794739
[10] Oda Projesis Projekt stellte den ersten Teil der Serie Dispositiv Workshop, initiiert vom Kunstverein München 2003, dar. Auf verschiedene Weise in Kollektiven arbeitende KünstlerInnen war eingeladen, Projekte mit von ihnen selbst gewählten Personengruppen in München zu realisieren. Die darauffolgenden Teile waren: Dispositiv Workshop, Teil 2 mit Annika Eriksson im Herbst 2003, Dispositiv Workshop, Teil 3 mit Katya Sander im Sommer 2004, Dispositiv Workshop, Teil 4 war ein Kolloquium zu kollaborativen Praxen mit künstlerischen und kuratorischen Initiativen aus ganz Europa im Kunstverein München im Sommer 2004, Dispositiv Workshop, Teil 5 mit Ruth Kaaserer im Sommer 2004 and zuletzt Dispositiv Workshop, Teil 6 mit Rirkrit Tiravanija: ein Retrospektivenprojekt im Herbst 2004.
[11] Zwei dieser Einladungen kamen von einer Institution in Istanbul, dem neuen Museum für zeitgenössische Kunst, Proje4L, in Gultepe, das sich zwischen dem Finanzdistrikt und einem der so genannten "24-Stunden-Häuser-Bezirk” befindet, wo man Zubauten an Wohnbauten ohne Bauerlaubnis errichten, kann solange es nicht länger als 24 Stunden dauert. Das Ergebnis der ersten Einladung war, dass Oda Projesi für sechs Monate in einem dieser 24-Stunden-Häuser in der Nachbarschaft des Museums eine Wohnung mieteten, in der sie ähnliche Aktivitäten wie in Galata veranstalteten. Die zweite Einladung führte zu einer Kooperation mit einer angrenzenden Schule für zwei Jahre. Eines der Projekte, die mit der Schule und den SchülerInnen durchgeführt wurden, hieß Jump und bestand aus einer Art Untersuchung und einem Vorschlag dafür, wie der Museumsraum genützt werden könnte. Im Museum wurden Trampoline installiert und den Kindern und anderen BesucherInnen konnten darauf springen wie und soviel sie wollten. Ein Vidoe, das die Aktion dokumentiert, wurde später in der Schule gezeigt. Ein wenig später, im Frühjahr 2002, nahmen Oda Projesi an der Gwangju Biennale in Südkorea teil, wo sie die Wohnung in Galata in ihrer realen Größe im Ausstellungsraum rekonstruierten. Jeder Raum wurde für einen anderen Zweck benützt: Der mittlere Raum diente etwas als Veranstaltungsort für einen fünftägigen Workshop mit SchülerInnen der englischsprachigen Schule. Danach konnten die BesucherInnen die Räume nach Belieben benützen.
[12] Kunstprojekte_Riem war ein amibitioniertes Projekt, in dem die Stadt München durch die Kuratorin Claudia Büttner, Aufträge für Kunstprojekte in und für eine neue Wohnsiedlung auf dem Gelände des alten Flughafens.
[13] Nicolas Bourriaud: ‘An Introduction to Relational Aesthetics’, in Traffic (catalogue), Bordeaux: CAPC Musée d’ Art Contemporain, 1995. Diese breite Umschreibung umfasst KünstlerInnen wie Angela Bulloch, Dominique Gonzalez-Foerster, Jorge Pardo, Dan Peterman, Henrik Plenge Jakobsen, Rirkrit Tiravanija und andere, von denen die meisten in einem institutionellen Zusammenhang arbeiten.
[14] Vgl. Nina Möntmann: Kunst als sozialer Raum, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2002. Während Tiravanija die meisten seiner Werke, die oft Räume oder Architekturen umfassen, in Kunstinstitutionen ausstellt, die auf für sie ungewöhnliche Weise genutzt werden, haben Oda Projesi seltener in solchen Kontexten gearbeitet.
[15] Vgl. Christian Kravagna: Modelle partizipatorischer Praxis, In: Marius Babias und Achim Könneke (Hg.): Die Kunst des Öffentlichen, Amsterdam and Dresden: Verlag der Kunst, 1998
[16] Die Frage des Kontexts erscheint hier auch jenseits der Institution, bis zu dem Punkt des von Peter Weibel für eine Ausstellung gleich Titels 1993 geprägten Begriffs "Kontextkunst" in der deutschsprachigen in der deutschsprachigen Umgebung, der besonders von der linken Kunstszene in Köln angefochten wurde. Man könnte Kontextkunst als deutsches Pendent zur so genannten "relationalen Ästhetik", die aber programmatischer politisch und akademisch ist, bezeichnen. Beide gehen von einem dynamischeren Konzept von Kunst aus, in dem der Kontext aktiv miteinbezogen wird und oft den Ausstellungsraum verlässt. Einige der KünstlerInnen, die Christian Krawagna als "gute" Beispiele anführt, sind mit Kontextkunst in Verbindung gebracht worden. Vgl. Peter Weibel: Kontextkunst – Kunst der 90er Jahre, Köln, DuMont Verlag 1994
[17] The Room Revisited, Kunstverein München, 5. Juni bis 31. August 2003
[18] Vgl. FN 2