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08 2005

Die Subsistenzperspektive

Maria Mies

Transkription eines Videos von O. Ressler,
aufgenommen in Köln, Deutschland, 26 Min., 2005


Ich bin Maria Mies. Ich bin Soziologieprofessorin im Ruhestand und war seit 1972 hier an der Fachhochschule tätig im Fachbereich Sozialpädagogik. Außerdem habe ich sehr viel gemacht in diversen Bewegungen: Zunächst in der Frauenbewegung, aber auch die Ökologiebewegung war Teil dieser Aktivitäten, die Friedensbewegung, und in den letzten Jahren, seit 1997, bin ich in der Antiglobalisierungsbewegung aktiv.

Zunächst einmal muss ich sagen, dass wir nicht speziell von Subsistenzwirtschaft reden. Wir, das sind meine beiden Freundinnen Claudia von Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen, mit denen ich Mitte der 1970er Jahre diesen Ansatz entwickelt habe. Wir reden eigentlich nicht von Subsistenzwirtschaft, sondern von Subsistenzperspektive. Das bedeutet, es ist kein ökonomisches Modell, sondern eine Neuorientierung, eine neue Sicht auf die Ökonomie. Das bedeutet etwas ganz anderes. Sie betrifft nicht nur die Ökonomie, sondern auch die Gesellschaft, die Kultur, die Geschichte und alles mögliche andere. Das zweite ist, dass viele Leute fragen: Was verstehen Sie unter Subsistenz? Dann sage ich meistens: Subsistenz steht für uns im Gegensatz zur Warenproduktion, die das Ziel der kapitalistischen Produktion ist. Die allgemeine Warenproduktion, d. h. alles, was es gibt, muss in Waren verwandelt werden. Das kann man heute besonders im Zuge der Globalisierung beobachten. Die Subsistenzproduktion hat ein ganz anderes Ziel, nämlich die unmittelbare Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, was nicht zunächst über Geld und die Herstellung von Waren geht. Das ist ganz wesentlich für uns, dass es eine unmittelbare Produktion und Reproduktion des Lebens ist. Deshalb reden wir von "Lebensproduktion" anstatt von "Warenproduktion".

Ich möchte noch ergänzen, dass wir diese Perspektive entdeckt haben - so muss man das wohl nennen -, als wir in der Frauenbewegung dabei waren, uns mit der Hausarbeit zu befassen. Das war eine weltweite Diskussion, die damals überall unter Feministinnen geführt wurde. Die Frage war, was Hausarbeit im Kapitalismus bedeutet. Warum wird diese Arbeit nicht als Arbeit angesehen? Warum wird sie nicht bezahlt? Warum ist das lohnlose Arbeit? Wir erkannten, dass diese Arbeit deshalb im Kapitalismus nicht bezahlt werden kann, da ansonsten das Akkumulationsmodell zusammenbrechen würde. Das heißt nicht, dass es überhaupt keinen Kapitalismus mehr geben würde, wie manche gedacht haben, nein, aber dass es auf jeden Fall viel zu teuer wäre, wenn alle Arbeit, die im Haushalt gemacht würde, bezahlt wird: Also Kinder gebären, großziehen, den Mann zu reproduzieren - wie es damals hieß -, Alte und Kranke versorgen. Wenn das alles Lohnarbeit wäre, die wie reguläre Lohnarbeit bezahlt werden müsse, dann wäre das kaum zu bezahlen und würde das ganze Modell des Kapitalismus grundsätzlich ändern. So sind wir auf den Begriff gekommen, der eigentlich gar nicht von uns stammt, denn der Subsistenzbegriff ist ein alter Begriff, dass das, was wir Lebensproduktion nennen, eigentlich immer notwendig ist als Voraussetzung für jede Art von Lohnarbeit. Wir haben damals formuliert: Ohne Subsistenzarbeit gibt es keine Lohnarbeit. Aber ohne Lohnarbeit gibt es sehr wohl Subsistenzarbeit. Denn das ist die ewige Voraussetzung nicht nur von jeder Art von Leben, sondern auch jeder Art von Arbeit, dass für das Essen, das Wohnen, das unmittelbare Leben gesorgt wird. Das ist sehr wertvolle Arbeit, aber sie wird nicht durch Geld entlohnt. Das war der Punkt, wo wir diesen Zusammenhang sahen. Und dann sahen wir außerdem, dass die Hausarbeit nicht die einzige Art von Arbeit ist, die auf diese Weise, praktisch ohne Kosten für das Kapital, ausgebeutet wird. Sondern dass es ähnliche Arbeit bei Kleinbauern gibt, die auf der ganzen Welt für ihre eigene Selbstversorgung arbeiten. Auch die verkaufen etwas am Markt, aber sie sind keine Lohnarbeiter. Und das interessante ist, dass sie genauso wenig wie die Arbeit der Frauen im Bruttosozialprodukt oder Bruttoinlandsprodukt vorkommen. Sie zählen nicht, wie eine der Frauen aus Neuseeland, Marilyn Waring, geschrieben hat. "If Women Counted" - wenn die Frauenarbeit zählen würde, was dann? Ein sehr interessantes Buch. Und dann entdeckten wir drittens, die Kleinbauern haben etwas mit der Hausarbeit zu tun, und beide haben etwas mit der Arbeit in den Kolonien zu tun. Da kam dieser Begriff auf, denn alle drei waren wir längere Zeit in der Dritten Welt gewesen. Ich war viele Jahre in Indien gewesen, die beiden Freundinnen in Lateinamerika, und da stellten wir fest: Ohne dass ganze Länder über einen langen Zeitraum ausgebeutet worden sind als Kolonien, gäbe es den Kapitalismus auch nicht. Und wenn sie heute genauso gleich behandelt würden, alle Arbeit in den "Kolonien" - ich nenne sie immer noch "Kolonien" -, dann wäre nicht viel zu akkumulieren. Und deshalb haben wir alle diese Verhältnisse koloniale Verhältnisse genannt. Das Mann-Frau-Verhältnis ist ein koloniales, das Verhältnis zwischen Kleinbauern und Industrie ist auch ein koloniales, und natürlich die kolonialen Verhältnisse zwischen Metropole und Kolonie sind sowieso koloniale.

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass die Subsistenzperspektive und die Subsistenzgesellschaften und -ökonomien nicht von selber verschwunden sind, sondern das ist gemacht worden, das waren ganz bewusste Politiken. Die Subsistenzgesellschaften haben vor dem Zweiten Weltkrieg noch überall existiert, und zwar auf dem Land und in der Stadt. Bei uns (in Deutschland) waren die Kleinbauern diejenigen, die den größten Teil der Nahrung herstellten und die Bevölkerung versorgten. Aber dann gab es auch in den Städten, zu meinem Erstaunen sogar in den USA, Subsistenzproduktion in vielfältiger Weise. Das hat eine amerikanische Feministin erforscht und festgestellt, dass bis in die 1960er Jahre hinein in den Nachbarschaften in den großen Industriestädten eine ganze Menge von Subsistenztätigkeiten fort existierten. Erstens gab es nachbarschaftliche, gegenseitige Hilfe. Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit, der Reziprozität war da. Es wurden Gemüse und Früchte eingemacht, entweder hatte man noch einen kleinen Garten irgendwo oder man kaufte das billig auf dem Markt und machte es ein. Es war eine Tätigkeit hauptsächlich im Haushalt, und dasselbe galt auch für Fertigkeiten wie nähen oder irgendetwas zu reparieren, da half immer ein Nachbar oder ein Freund. Die Arbeiterklasse hätte wahrscheinlich in diesen Städten damals gar nicht überleben können, wenn es das nicht sehr lange gegeben hätte. Aber dann hat die amerikanische Regierung mit dem neu aufkommenden Fordismus ein ganz neues Wirtschaftsmodell von oben durchgesetzt. Zunächst einmal wurden die Löhne für die Industriearbeiter erhöht. Wenn man verglich, was man kaufen konnte für diese Löhne mit dem, wenn man das selber machte, das war ein großer Unterschied. Daher hörten die Leute langsam auf, das zu machen.

Durch bestimmte Maßnahmen haben sich die Bauernhöfe dann langsam verschuldet und sich nicht mehr halten können. Man sagte dann, hiervon kannst du nicht mehr leben. Ich gehe weg. Diese Politik dauert heute noch genauso an. Das andere ist, dass man die ganze Landwirtschaft auf Monokultur, auf Großproduktion, chemischen Dünger und Pestizide umstellen wollte; auf große Maschinen, denn das war wiederum etwas, was die Industrie fördert. Das Ganze fand auf Erdölbasis statt. Die Bauern sollten im großen Maße Milch, Butter, Fleisch, Eier, usw. produzieren und seither haben wir diese Agrarfabriken überall. Die wurden dann auch mit Subventionen gefördert, dass sie einen Überschuss produzieren und dieser Überschuss wird dann in die Dritte Welt abgeladen, wie wir alle wissen. Diese Möglichkeit hat es so in der Dritten Welt fast überhaupt nicht gegeben. Da wurde zwar dieselbe Landwirtschaftspolitik gemacht, z. B. in der Grünen Revolution, und die kleinen Bauern verloren ihr Land oder mussten es verkaufen, weil sie nicht konkurrieren konnten mit den großen, oder weil sie die Schulden nicht zurückzahlen konnten. Aber wenn sie in die Städte zogen, dann landeten sie in den Slums. Und dort machten sie Subsistenzproduktion. Das war übrigens der Anfang für unsere Beschäftigung mit der Subsistenz gewesen. Bei jener Konferenz in Bielefeld ging es um Subsistenzproduktion in der Dritten Welt. Man hat in Afrika und in vielen anderen Ländern beobachtet, was die Leute in den Slums machen. Die mussten irgendwie überleben, aber sie hatten kein Land mehr. Die machten alles Mögliche wie Gelegenheitsarbeit, die klauten auch, die machten dieses und jenes oder waren irgendwo Dienstmädchen. Niemand kümmerte sich darum. Es gab keinen Sozialstaat, der sie auffängt, auch heute noch nicht. Das heißt, die Subsistenzproduktion war auf dem Land notwendig, um überhaupt Widerstand leisten zu können gegen diese ganze Politik, und in den Städten war sie eine Politik des Überlebens.
Jetzt fragen Sie mit Recht, wieso denn ein oft so elendes Leben eine Perspektive für eine bessere Gesellschaft sein kann? Das klingt zunächst ein bisschen absurd. Aber wenn wir uns genau ansehen, wie die Leute überleben und was sie alles machen, dann entdecken wir wieder, dass die alten Prinzipien, von denen ich vorhin schon gesprochen habe, wieder belebt werden: Gegenseitige Hilfe, dass man bereit ist, alles wieder zu machen, das man selber machen kann. Das ist eine neue oder positive Perspektive, da bei diesen Tätigkeiten, selbst wenn sie auf einem ganz niedrigen Niveau stattfinden, die Leute wieder entdecken, dass sie selbst souverän sind, ihre Eigenmächtigkeit, ihr Leben zu produzieren, wie wir das nennen. Das ist kein Mangel, es ist etwas sehr positives zu entdecken, dass wir mit anderen zusammen kollektiv unser Leben durchaus produzieren und organisieren können. Natürlich braucht man auch Geld, das will ich gar nicht in Abrede stellen, aber das alleinige Arbeiten nur für Geld ist nicht die beste Sache, das ist die eine Seite. Das andere ist, dass die Subsistenzproduktion bzw. die Subsistenzorientierung sehr viel umfassender die Bedürfnisse befriedigt, als das gekaufte Waren jemals können. Denn diese gekauften Waren beinhalten eigentlich nichts. Es ist tote Arbeit, die dort materialisiert ist. Die werden verbraucht, dann sind sie weg, dann muss man wieder neue Waren kaufen, und der Mensch ist nie befriedigt. Das ist nämlich der Punkt. Das fängt mit den ganzen Geräten und technischen Errungenschaften an, zuerst hatte man Schwarz-Weiß-Fernsehen, das reichte dann nicht mehr, dann musste man Farbfernsehen haben, dann musste man einen Computer haben, dann musste man ein Handy haben, jetzt müssen Kinder ein Handy haben und so geht es weiter. Aber könnte man sagen, dass das eine glückliche, befriedigte Gesellschaft ist? Ich habe von einer Bewegung in den USA gehört, die nach dem guten Leben sucht. Das ist ein alter ökonomischer Begriff, den schon Aristoteles als Ziel der Ökonomie angewandt hat. Das Ziel der Ökonomie sei das gute Leben. Die Leute in den USA sagen, wir arbeiten und arbeiten, aber das gute Leben kommt nicht. Wo bleibt das gute Leben? Wir sagen deshalb, das ist das Ziel der Subsistenz. Die Subsistenz ist nicht Mangel und Elend, wie uns immer weisgemacht wird. Wenn sie richtig verstanden wird und nicht als individuelle Subsistenz - die kann es gar nicht geben -, dann musst du immer mit anderen zusammen etwas zu machen, nicht nur um zu überleben, sondern um gut leben zu können. Dann kann sich das gute Leben tatsächlich herstellen. Du erfährst selbst, dass du eigenmächtig bist, dass du mit anderen zusammen souverän bist. Das ist eine ganz andere Art von Befriedigung, als wenn du deinen 8-Stunden-Tag hinter dich gebracht hast und vielleicht auch ganz gut verdient hast. Das gute Leben soll dann mit 65 Jahren kommen, aber dann kommt es auch nicht mehr. Ich denke, das ist einer der Gründe, warum die Leute in unseren Gesellschaften so unglücklich sind. Die Entfremdung in der Lohnarbeit lässt sich nicht durch noch so viel Geld aufheben. Aber in der Subsistenzperspektive ist das sehr wohl möglich. Und das könnte ich an Beispielen auch belegen.

Freunde von mir in Bangladesch haben angefangen, sich gegen das zu wehren, was die großen multinationalen Konzerne dort in der Landwirtschaft anstellen. Sie haben festgestellt, dass der Boden kaputt ist, das Wasser voll Arsen ist und die Erträge sinken. Das Versprechen der Grünen Revolution war, in den Monokulturen wird alles in vielfacher Weise produziert. Sie haben festgestellt, dass das nicht stimmt. Dann sind sie auf die Idee gekommen, dass das doch früher nicht so der Fall war. Und sie haben eine neue Bauernbewegung gegründet, die nennt sich Nayakrishi Andalon und ging von den Frauen aus. Die Frauen haben seit der Grünen Revolution festgestellt, dass die Männer sie immer verprügeln. Diese Gewalt kannten sie früher nicht, denn sie waren die Hüterinnen des Saatguts. Das Saatgut, der Samen, war in ihren Händen, sie mussten es aufbewahren und den Bauern sagen, jetzt ist es Zeit zu säen, usw. Sie haben sich dann zusammen getan und beschlossen, wir wollen das ändern. Die ganze Initiative ging von Frauen aus, um ein befriedigendes, glückliches Leben wiederzuerlangen. Das war das explizite Ziel. Wir wollen ein glückliches Leben haben! Wenn Sie die Bauern in dieser Bewegung fragen, werden ihnen alle sagen, sie wollen ein glückliches Leben haben. Fragen Sie einmal einen Bauern hier in Deutschland, ob seine Arbeit ihn glücklich macht... Als erstes haben sie gesagt, hier kommt kein Multi herein. Diese Dörfer haben sie zu giftfreien Dörfern erklärt. Hier kommt kein Multi rein mit all dem Gift, das er verspritzt. Ich habe vergessen zu sagen, dass viele der Frauen, weil sie unglücklich waren, Selbstmord begangen haben und das herumstehende Gift, die Pestizide, selber getrunken und sich auf diese Weise vergiftet haben. Heute werden dort wieder dieselben Prinzipien praktiziert, eigentlich alte Prinzipien, aber auch neue, wie eine Landwirtschaft fruchtbar und produktiv werden kann, ohne dass man diese Inputs aus den Industrieländern hinein gibt. Es sind vielerlei Dinge, die sie wieder neu entdeckt haben, z. B. die Vielfalt. Sie machen keine Monokultur, ihren eigenen Kompost, sie helfen sich gegenseitig, und das Saatgut kaufen sie nicht mehr. In fast allen Dörfern haben sie Saatguthäuser, und die sind wieder in der Hand der Frauen, die das Saatgut aufbewahren und konservieren. Sie sind wieder souverän, sie haben das, was die Via Campesina, eine oppositionelle, weltweite Kleinbauernorganisation, Nahrungssouveränität nennt. Ich glaube, jede Subsistenz fängt mit der Nahrungssouveränität an. Das ist ein Beispiel und das ist jetzt eine große Bewegung in Bangladesch.
Es gibt auch hier bei uns viele Beispiele, die weniger bekannt sind. Es gibt die Kommunen, das ist eher bekannt, wie Niederkaufungen oder Longo Mai, die schon lange als Kommunen in einer subsistenten Lebensweise arbeiten. Was mich aber besonders beeindruckt hat, sind die kommunalen internationalen Gärten, die seit einiger Zeit in Deutschland existieren. Die wurden von Flüchtlingsfrauen in Göttingen gegründet. Die ersten entstanden in Göttingen, als die Frauen sagten, wir sind hier nicht glücklich, wir wollen nicht immer Almosen bekommen. Eine Sozialarbeiterin hat sie gefragt, was fehlt euch, was wollt ihr am meisten? Dann haben sie gesagt, was wir am meisten vermissen, sind unsere Gärten. Dann hat sie von der evangelischen Kirche Land besorgt und dann haben sie angefangen, gemeinsam zu gärtnern. Keine Schrebergärten, sondern kommunale Gärten, wo die verschiedenen Gruppen von Migranten und Migrantinnen, nachher kamen auch Männer hinzu, dort gärtnern. Inzwischen gibt es in Deutschland schon 70 solcher kommunalen, internationalen Gärten in verschiedenen Städten. Auch in Köln gibt es welche.

Es ist sehr, sehr wesentlich, dass wir heute auf das Ganze schauen, also nicht nur irgendwo in einem Dorf oder in der Stadt eine kleine Subsistenzinsel herstellen und dann zufrieden sind, sondern wir müssen den globalen Blick haben, denn wir haben heute eine globalisierte Weltwirtschaft. Das ist einfach ein Fakt.

Es gibt einige Prinzipien, die auch heute noch genauso modern sind, wie sie früher waren. Ich habe einige schon genannt. Wenn die im Zentrum der Ökonomie stehen und nicht der individuelle Egoismus, wie es heute der Fall ist - davon geht die ganze Wirtschaftswissenschaft aus, dass im Zentrum der individuelle Nutzen, das individuelle Interesse steht. Wenn da stattdessen, etwas steht wie gegenseitige Hilfe, Reziprozität, Gemeinschaftlichkeit, kollektives Arbeiten und auch kollektives Genießen, dann ist das eine andere Sache. Wenn Konsum und Produktion nicht mehr so auseinander gerissen sind, dann ist das auch eine andere Sache. Das sind Gedanken, die erst einmal wieder in die Köpfe kommen müssen. Das ist nicht so einfach, das sehe ich selber auch. Denn es ist schwierig, von diesem Konsummodell, das wir jetzt haben, herunterzukommen, obwohl die Leute wissen, es hat uns nicht glücklich gemacht.

Wenn wir eine Subsistenzorientierung hätten, müssten wir eine andere Technik haben. Denn in unserer Technik ist überall der Verschleiß eingebaut, die Arbeitshetze ist in die Technik eingebaut und ich sage immer: Unsere Technik ist nicht systemneutral. Sie ist kapitalistisch. Abgesehen davon, dass sie patriarchalisch ist, das will ich jetzt nicht weiter erörtern. Vor allem ist sie kapitalistisch, mit allem was dazu gehört. Da bräuchten wir ein anderes Nachdenken über Technik. Man muss auch fragen, was für eine Technik wir brauchen, dass sie die Arbeit wirklich erleichtert und nicht einfach mehr Waren auf den Markt schmeißt.

Es herrscht immer noch die Vorstellung, dass die Industriegesellschaft und die industrielle Monokultur das produktivste sei. Das gilt nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für alle anderen Formen der Monokultur, dass diese Art der Arbeit am produktivsten sei und Subsistenzproduktion ganz unproduktiv sei. Deshalb taucht sie z. B. auch nicht im Bruttosozialprodukt auf. Sie sei nicht produktiv, denn produktiv ist nur das, was in Geld gemessen werden kann. Das stimmt nicht einmal, wenn man diesen bekannten Produktivitätsbegriff anlegt, der viel zu eng ist, um die wirkliche Produktivität der Arbeit und der Subsistenzproduktion zu erfassen.
Denn diese Vielfalt, diese Symbiose zwischen verschiedenen Lebewesen, Tieren, Pflanzen und Menschen, die in einem gewissen Gebiet zusammenleben, die aber doch alle ihr Auskommen und gutes Leben haben, das wird man mit noch so vielen addierten Monokulturen nicht hinkriegen.