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01 2002

Kunst, Raum und Öffentlichkeit(en)

Einige grundsätzliche Anmerkungen zum schwierigen Verhältnis von Public Art, Urbanismus und politischer Theorie

Oliver Marchart

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"Social space is produced and structured by conflicts. With this recognition, a democratic spatial politics begins." [1]
Rosalyn Deutsche

"Kunst im öffentlichen Raum" kann, wie man weiß, zumindest zweierlei bedeuten: Einerseits Kunst am Bau und künstlerische Stadtmöblierung; dies wäre das herkömmliche Verständnis - u. a. das Verständnis von Raum als physischem, geographischem, urbanem und architektonischem Raum. Doch andererseits wurde "Public Art" im Sinne neuerer Formen von "Kunst im öffentlichen Interesse" (oder "Sozialinterventionismus", "Community Art", etc.) - nicht zuletzt in Österreich - zur sicheren Nische im Kanon der zur Verfügung stehenden Kunstpraxen und -formen ausgebaut. Die Entsendung von österreichischen Künstlerinnen, die üblicherweise unter diesen Header subsumiert werden, zur Biennale von Venedig ist nur der Schlußstein der kunsthistorischen Sanktionierung sozialinterventionistischer Kunstpraxen (und könnte sehr wohl auch ihr Grabstein sein).

Was von der allgemeinen künstlerischen Begeisterung am Sozialen dabei allerdings überstrahlt wird, ist das Politische. Was durch künstlerische Sozialarbeit ersetzt wird, ist politische Arbeit. Und was von sozialinterventionistischen Kunstpraxen, so scheint es, vollkommen abgelöst worden ist, sind politinterventionistische Kunstpraxen. Politik wird, wo sie denn überhaupt ins Bild kommt, von sozialarbeiterischer Kunst "im öffentlichen Interesse" ausschließlich als policy verstanden: als Verwaltung, Engineering und möglicherweise technokratische Bearbeitung von sozialen Problembereichen. Public Art wird zur privatistischen Version von public welfare. Frappierend daran ist nicht nur der Einzug bürokratischer Verwaltungs- oder Verwaltungsreformphantasmen in die Kunst, sondern vor allem die Verkürzung des Öffentlichkeitsbegriffs, unter dessen Banner man ja einmal angetreten war. Denn der Begriff der "Öffentlichkeit" wird in den Bereich des Sozialen relegiert - doch tatsächlich verdient Öffentlichkeit diesen Namen nur, wenn sie politische Öffentlichkeit ist.

Für die Public Art scheint jedenfalls alles davon abzuhängen, was unter dem Begriff "Öffentlichkeit" (the public, public sphere) oder "öffentlicher Raum" (public space) genau verstanden wird. Ist es ein Raum, in dem Konflikte ausgetragen oder in dem sie verwaltet und administriert werden? Ist es ein Raum offen politischer Agonalität, des Kampfes um die Bedeutung im Sinne etwa von "politics of signification" (Stuart Hall), oder ist es ein Raum vernunftgeleiteter rationaler und zwangloser Debatte, in Habermas' Sinne, oder ist es ein Raum, in dem "vor Ort" sogenannte konkrete Mißstände benannt und behoben werden sollen? Ist der öffentliche Raum ein Raum unter vielen anderen Räumen (privaten, nichtöffentlichen, halb-öffentlichen, lokalen), ist der öffentliche Raum überhaupt ein Raum oder handelt es sich um den Überbegriff für eine Vielzahl öffentlicher Räume? Was genau macht ihn zu einem politischen Raum (im Unterschied zu sozialen Räumen)? Und was ist das Öffentliche am öffentlichen Raum, und - umgekehrt - was ist das Räumliche an der Öffentlichkeit? Diese Fragen stelle ich nicht etwa rhetorisch am Beginn dieses Kapitels, um eben irgendeinen Einstieg zu finden, sondern ich möchte sie im folgenden auch wirklich einer Beantwortung näherbringen.

Dazu läßt es sich nicht vermeiden, von der theoretisch hierzulande etwas beschränkten Kunstdiskussion auszuweichen einerseits auf die politische Theorie selbst, aus der ja das Konzept der Öffentlichkeit stammt, und andererseits auf die rezente anglo-amerikanische Diskussion zur Public Art, die sich viel stärker an die Diskussionen der politischen Theorie angekoppelt hat, als das im deutschsprachigen Raum der Fall ist. Seit einiger Zeit wird in der anglo-amerikanischen Kunstdiskussion etwa Claude Leforts Konzept einer libertären Demokratie oder Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Konzept radikaler und pluraler Demokratie starkgemacht [2]. Die Rede von Kunst im öffentlichen Raum, so scheint es, ist zusehends weniger zu lösen von Demokratietheorien, die sich weder mit einer habermasianischen, noch mit einer sozialarbeiterischen Version von Öffentlichkeit abspeisen lassen wollen. Die bisher am ehesten gültige Artikulation von Public-Art-Konzepten mit den Öffentlichkeitstheorien von Lefort, Laclau und Mouffe findet sich meiner Ansicht nach bei Rosalyn Deutsche. Die doppelte Frage, die sich dabei für uns wie für Deutsche stellt, lautet: Welche Rolle spielt Öffentlichkeit für politische Kunstpraxen, und welche Rolle können politische Kunstpraxen für die Öffentlichkeit übernehmen? Und die Ausgangsthese für dieses Kapitel wie wohl auch für die Arbeiten Deutsches ist, daß eine Antwort nicht allein mit Hilfe der Kunsttheorie und -kritik gefunden werden kann, sondern nur durch Einbeziehung politischer Theorie. Damit ist aber gleichzeitig auch ein Paradigmenwechsel angedeutet weg von den theoretischen Leitdisziplinen kritischer Kunst der 70er Jahre - der (marxistischen) Ökonomie und den Sozialwissenschaften. [3]

Doch bevor auf Rosalyn Deutsches konkrete Antwort auf die Frage nach Öffentlichkeit im demokratietheoretischen Sinn eingegangen wird, soll in einem ersten Schritt die näherliegende Frage nach dem Begriff des öffentlichen Raums im eher urbanistischen Sinn angesprochen werden: Wo ist der Raum im "öffentlichen Raum" (wo die Kunst und die Politik ist, wird sich dann schon weisen)? Auch an diesem scheinbar handfesteren Problem wurde - etwa von seiten der kritischen und postmodernen "urban studies" - fallweise die Auseinandersetzung mit politischer Theorie gesucht. Um das Thema etwas einzugrenzen, möchte ich auch hierzu den aus der politischen Theorie stammenden Raumbegriff Ernesto Laclaus zum Leitfaden nehmen. Ein Konzept von Raum, das etwa von Doreen Massey auf seine Brauchbarkeit für die kritische Urbanistik und Geographie geprüft wurde. Im folgenden werde ich also auf die Diskussion eingehen, die sich um die jeweiligen Raumbegriffe von Urbanismus resp. politischer Theorie entspann (Abschnitt I), bevor ich - nach dem kurzen Umweg einer Kritik an foucaultschen, deleuzianischen und habermasianischen Raumtheorien (Abschnitt II) - auf die politischen und demokratietheoretischen Implikationen von Public Art zurückkommen werde (Abschnitt III).

I. Raum vs. Zeit - Politik als Verräumlichung

Wie Doreen Massey in ihrer Kritik an Ernesto Laclau anmerkt, [4] kam es in der Geschichte der kritischen Geographie zur folgenden Bewegung: In den 70er Jahren - im Rahmen des allgemeinen Aufstiegs sozialwissenschaftlicher, insbesondere marxistischer Ansätze - lautete der maßgebliche Slogan: Raum ist eine soziale Konstruktion. Raum wurde, mit anderen Worten, nicht mehr als vorgängige Substanz oder als immer schon gegebenes und unveränderliches Terrain verstanden, auf dem dann erst das Gebäude der Gesellschaft errichtet worden war, sondern die jeweils spezifische Struktur von Raum wurde als Ergebnis sozialer, wirtschaftlicher und politischer Prozesse theoretisiert. Raumtheorien machten denselben constructivist turn mit, der die Sozialwissenschaften im ganzen erfaßt hatte. In den 80er Jahren wurde dieser Ansatz nun radikalisiert, indem er invertiert wurde. Nicht nur wurde Raum als soziale Konstruktion verstanden, sondern man kam schließlich zur Auffassung, daß umgekehrt auch das Soziale räumlich konstruiert sei. Und diese räumliche Form des Sozialen habe durchaus kausale Effekte, d. h., die Art und Weise, in der Gesellschaft funktioniert, werde durch ihre räumliche Struktur beeinflußt. Der wesentliche Unterschied zwischen den Überzeugungen der 70er Jahre und denen der 80er (und 90er) Jahre besteht darin, daß im ersten Fall Raum nach wie vor als passive Masse, d. h. Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse, verstanden wird, während im zweiten Fall Raum selbst in die Rolle eines gesellschaftlichen Akteurs schlüpft. [5]

Massey kritisiert nun die Vorstellung, Raum sei ein passives Produkt und generell im Zustand von Stasis - eine Vorstellung, die sich, so scheint es, unter anderem dann einschleicht, wenn die Kategorie Raum binär der Kategorie Zeit gegenübergestellt wird, wobei Zeit in gut abendländisch-metaphysischer Tradition der zumeist positiv (z. B. als Geschichte, Wandel etc. [6]), Raum der zumeist negativ kodierte Term ist. Obwohl der Dualismus von Räumlichkeit und Zeitlichkeit nach Massey unter Theoretikern sehr verbreitet ist, lastet sie ihn doch vor allem Jameson und Laclau an (bei allen Unterschieden, die sie diesen beiden Theoretikern zugesteht; wir konzentrieren uns hier auf die Kritik an Laclau). Motiviert ist ihre Kritik durch die - aus Masseys Sicht - depolitisierende Wirkung, die deren Raumkonzepte hätten. Raum selbst würde bei Laclau depolitisiert, insofern er Raum - im Gegensatz zu Zeit - als Bereich von Stasis und Stillstand (miß)verstünde: "Laclau's view of space is that it is the realm of stasis. There is, in the realm of the spatial, no true temporality and thus no possibility of politics." [7] Im Unterschied dazu hätten radikale Geographen und Urbanisten mit Konzepten wie "'centre'/'periphery'/'margin'" und Untersuchungen der "politics of location" Räumlichkeit durchaus als politische Kategorie stark und produktiv gemacht.

Die Frage dreht sich also darum, ob und wie das Konzept Raum selbst politisch verstanden werden kann. Um zu überprüfen, inwieweit die vorerst abstrakte Kritik an Laclau gerechtfertigt ist, wird man natürlich um eine kurze Darstellung der Laclauschen Raumtheorie nicht herumkommen. Vorweg sei allerdings angemerkt, daß es doch einigermaßen befremdend ist, einem (ausschließlich) politischen Theoretiker von Seiten der Geographie vorzuwerfen, er würde seine Begriffe depolitisieren, d. h., es ist seltsam, einer politischen Theorie den Vorwurf zu machen, unpolitische Konzepte zu vertreten. Das legt erst mal eher den Verdacht nahe, daß sich im Übersetzungsvorgang zwischen "urban geography" oder "critical urban studies" und politischer Theorie disziplinspezifische Mißverständnisse eingeschlichen haben könnten. Kann es sein, daß Massey die Begrifflichkeit und den Theoriebau politischer Theorie/Philosophie nicht zu deren eigenen Bedingungen nimmt (nicht "on its own terms", sozusagen)? Kann es sein, daß das Sprachspiel des kritischen oder postmodernen Urbanismus - trotz aller wechselseitiger Inspiration - nicht eins zu eins in das Sprachspiel politischer Theorie übersetzbar ist und umgekehrt? Daß sich so etwas wie Laclaus politischer Raumbegriff nicht restlos auf den urbanen, sozialen, geographischen Raum übertragen läßt? Und daß ein polit-theoretischer Zugang zur Kategorie des Raumes nicht vollständig in einem sozialwissenschaftlichen, stadtsoziologischen Zugang aufgeht?

Sehen wir uns zuerst an, was Laclau unter Räumlichkeit und Zeitlichkeit genau versteht. Laclau geht von der Überlegung aus, daß jedes Bedeutungssystem (i. e. jeder Diskurs, jede Struktur, jede Identität, letztlich jeder Raum) sich nur stabilisieren kann, wenn es sich gegenüber einem konstitutiven Außen abgrenzt. [8] Dieses Außen kann selbst aber nicht Teil des Bedeutungssystems sein (dann wäre es kein Außen, sondern Teil des Innen), sondern muß etwas radikal anderes sein. Doch gerade weil es auf etwas verwiesen ist, das es selbst nicht vollständig unter Kontrolle bringen kann, gelingt es einem Bedeutungssystem nie, sich selbst vollständig zu stabilisieren. Einerseits ermöglicht das, worauf es notwendigerweise verwiesen ist (das konstitutive Außen), eine gewisse Stabilisierung, andererseits verhindert genau dasselbe konstitutive Außen eine vollständige Totalisierung des Systems. Ein System, ein Diskurs, eine Struktur ist daher immer von einer konstitutiven Ambivalenz durchzogen, die Laclau Dislokation nennt. Und er sieht in den dislokatorischen Effekten, denen jede Struktur unterworfen ist, ein temporales Phänomen, während er die Struktur selbst als räumlich begreift. Am leichtesten versteht man das wohl, wenn man sich unter Struktur zum Beispiel eine bestimmte Topographie vorstellt. Schon die Idee einer Struktur impliziert ja irgendeine Form von Topographie (eine bestimmte relationale Anordnung von Elementen, die durch ihre wechselseitige relationale Bestimmung zu "Orten" werden) - ansonsten wäre die Struktur, simpel ausgedrückt, nicht "strukturiert". Eine Struktur oder Topographie ist im extremen - wenn auch unerreichbaren - Grenzfall ein geschlossenes System, wobei alle möglichen Rekombinationen seiner Elemente und Veränderungen seines Zustands aus dem Inneren des Systems selbst abgeleitet werden können.

Andererseits besteht die Symbolisierung/Systematisierung (= Verräumlichung) des der Struktur gegenüber Heterogenen/Äußeren in der weitgehenden Elimination des temporalen Charakters, i. e. der Dislokationen der Struktur. Eine Topographie zu erstellen schließt daher immer die Bemühung mit ein, Zeit in Raum zu transferieren (was Laclau die "Hegemonisierung von Zeit durch Raum" nennt), die dislokatorischen, "destrukturierenden" Effekte auf ein Minimum zu reduzieren und den Fluß der Bedeutung zu fixieren. Um eine zeitliche Abfolge [9] von Ereignissen symbolisieren zu können, müssen sie synchron präsent gemacht werden, sie müssen verräumlicht werden. Das geschieht durch Wiederholung. Die mythische Figur der ewigen Wiederkehr des Gleichen ist - wie jeder Mythos - in genau diesem Sinne räumlich. So umschreibt diese Figur z. B. einen Kreis [10]. Aber auch die Gedächtnismythen, die etwa um nationale historische Ereignisse und deren Repräsentation durch Monumente aufgebaut werden, verräumlichen das historische Ereignis. Die sedimentierten sozialen Mythen und Traditionen sind nichts anderes als das Ergebnis repetitiver Praxen (Laclau: ,,[a]ny repetition that is governed by a structural law of succession is space" [11]), die ihren kontingenten Ursprung im Laufe ihrer Wiederholung verloren haben, so daß wir sie nun als notwendig, naturalisiert, unveränderbar und ewig wahrnehmen. Dieser Raum - entstanden durch die Hegemonisierung von Zeit durch Raum - kann wie im Fall des nationalen Monuments ein Gedächtnisraum sein, in dem ein bestimmtes historisches Gedächtnis fixiert wurde [12] (erst in zweiter Linie ist es der "physikalische" Raum um das Monument).

Daraus folgt auch für Laclau, daß es naiv wäre, an der Idee von Raum als einer nicht herausforderbaren und immer schon vorgegebenen Objektivität festzuhalten. Raum ist ganz im Gegenteil das Resultat einer artikulatorischen Praxis: der Praxis der Fixierung von Bedeutung. Das Ergebnis dieser Praxis besteht notwendigerweise in irgendeiner Form von hierarchisierter Struktur, in der die Relationen zwischen Elementen, Ebenen, Orten etc. mehr oder weniger wohldefiniert, d. h. fixiert, sind. In diesem Sinne ist Laclaus Position strukturalistisch, da für ihn - und hierin folgt er Saussure - Bedeutung nur innerhalb eines relationalen System von Differenzen entstehen kann. Auf der anderen Seite aber kann diese Fixierung nie vollständig gelingen. Es wäre eine totalitäre Illusion, zu glauben, man könne die Totalität eines Signifikationssystems meistern, ganz egal, ob wir dieses System "Diskurs", "Gesellschaft", "Stadt" oder "öffentlicher Raum" nennen. So ermöglicht die Festsetzung des Bedeutungsflusses zu einem strukturierten System also ein topographisches Verhältnis zwischen den verschiedenen Elementen dieses Systems. Doch das Verhältnis, die Artikulation und Hierarchisierung zwischen den verschiedenen Regionen und Ebenen der Struktur ist nur das Resultat einer "kontingenten und pragmatischen Konstruktion" und nicht Ausdruck einer essentiellen Verbindung. Und zwar genau weil jede Identität von einem konstitutiven Außen, d. h. Zeit, überflutet wird. In diesem Sinne ist Laclaus Position post-strukturalistisch: das relationale System kann sich nie vollständig konstituieren oder schließen. [13]

Um zusammenzufassen: Wenn Raum immer von Zeit subvertiert wird, dann besteht keine Möglichkeit, diese kontingente und pragmatische Konstruktion eines Signifikationssystems ein für allemal festzusetzen oder zu beenden, denn diese Möglichkeit würde nur bestehen, wäre die Verbindung der Elemente tatsächlich essentiell und der Artikulation vorgängig. Doch das ist natürlich nicht der Fall, die Verbindung muß fortdauernd artikuliert werden, Zeit muß konstant durch Praktiken der Verräumlichung hegemonisiert werden, und das funktioniert durch Wiederholung (Abfolge). Daher ist Artikulation ein fortdauernder und fortdauernd scheiternder Prozeß, der grundsätzlich aus der repetitiven Verknüpfung von Elementen besteht. Es geschieht genau durch Artikulation, durch die Verbindung differenter Elemente, daß wir einen Raum eröffnen.

Artikulation schreitet wiederum in einer doppelten Bewegung voran. Einerseits kann hegemoniale Artikulation, ist sie erfolgreich, zu dem führen, was Laclau und vor ihm Fredric Jameson - beide in Bezugnahme auf Husserl - Sedimentation oder die "sedimentierten Formen von ,Objektivität'" [14] genannt haben. Dies ist das Feld des vorgeblich objektiven oder, wie Barthes es genannt hätte, "naturalisierten" Sozialen, wie es vom politischen Feld der Reartikulation unterschieden werden muß. Sedimentation ist, folgt man Husserl, ein Name für die Routinisierung und das Vergessen der Ursprünge: ein Vorgang, der aufzutreten pflegt, sobald ein bestimmter artikulatorischer Vorstoß zu einem hegemonialen Erfolg geführt hat. In Laclaus Terminologie beschreibt diese Bewegung einfach die Fixierung von Bedeutung in solide Topographien, die als Sedimentationen von Macht konzeptualisiert werden müssen und die zeitliche Bewegung reiner Dislokation zu einer präzisen Choreographie verräumlichen. Traditionen sind solch routinisierte Praxen, oder z. B. Gründungsmythen und Gedächtnisräume, wie sie etwa durch nationale oder sonstige Monumente konstruiert werden. Doch insofern diese räumlichen, "versteinerten" Sedimente andererseits reaktiviert werden können, existiert auch eine Temporalisierung von Raum oder eine "Erweiterung des Felds des Möglichen". Wir sind, in Laclaus Worten, mit einem Moment der "Reaktivierung" konfrontiert, mit einem Prozeß der Defixierung von Bedeutung. In diesem Fall werden mehr und mehr Elemente, Ebenen und Orte als kontingent in ihrer relationalen Natur wahrgenommen.

Nun sind wir in einer besseren Position, um beurteilen zu können, inwiefern Doreen Masseys Kritik an Laclaus Raumbegriff gerechtfertigt ist. Laclau macht sehr deutlich, daß er von Raum nicht im übertragenen Sinne spricht, sondern physischer Raum - da in seiner Bedeutung nur diskursiv zugänglich - auf die gleiche Weise konstruiert wird wie diskursiver Raum: "If physical space is also space, it is because it participates in this general form of spatiality." [15] Das ist die klassisch konstruktivistische Auffassung, die Massey der ersten Welle der "radical geography" in den 70er Jahren zusprechen würde. Doch Massey übersieht die Pointe von Laclaus Ansatz, den sie mehr oder weniger mutwillig auf einen überkommenen Strukturalismus verkürzt. Denn genauso wie die von Massey ausgemachte zweite Welle der "radical geography" geht ja Laclau (seinerseits für die politische Diskurstheorie) tatsächlich von der inversen These aus, daß Raum nicht nur diskursiv konstruiert, sondern daß Diskurs selbst- verstanden als die partielle Fixierung eines Signifikationssystems - essentiell räumlich ist. (Ohne daß er jedoch daraus schließen würde, Raum hätte kausale Effekte auf Zeit.)

Somit steht die Laclausche politische Theorie nicht nur jenseits von Masseys Unterscheidung der 70er von den 80er Jahren (die man vielleicht als Unterscheidung zwischen Konstruktivismus und Postkonstruktivismus bezeichnen könnte), sondern sie dürfte auch jenseits der Kategorien passiv und aktiv stehen. Masseys Kritik lautete, wir eingangs erwähnt, Laclau schreibe die alte metaphysische Vorstellung fort, in der Raum zur passiven Masse abgestempelt wird, zum bloßen Produkt einer Konstruktionsleistung etwa. Doch die Differenz zwischen Raum und Zeit bei Laclau ist keine Differenz zwischen Passivität und Aktivität. Zeit ist nicht der "Akteur", der passive räumliche Sedimente, d. h. soziale Ablagerungen, herstellt, sondern Zeit - als Dislokation - ist genau die Kategorie, die verhindert, daß sich diese Sedimente ein für allemal verfestigen können. Wie Laclau explizit zu erklären versucht: Raum kann Zeit hegemonisieren (d. h. "verräumlichen"), aber Zeit hegemonisiert selbst gar nichts: "But while we can speak of the hegemonization of time by space (through repetition), it must be emphasized that the opposite is not possible: time cannot hegemonize anything, since it is a pure effect of dislocation." [16]

Der Grund dafür ist leicht einzusehen. Die Existenz eines konstitutiven Außen eines Signifikationssystems (eines Raumes) ist zwar die Grundbedingung dafür daß sich überhaupt eine gewisse Systematizität (z. B. Topographie) stabilisieren kann, doch zugleich ist das konstitutive Außen (als die Quelle der Dislokation des Systems) der Grund dafür, warum sich das System nie zu einer Totalität wird schließen können. Als Ermöglichungsbedingung von Räumlichkeit und zugleich Verunmöglichungsbedingung von totaler Verräumlichung steht Zeit jenseits von Kategorien wie Aktivität/Passivität. Und wenn Zeit nicht so einfach den aktiven Part spielt, kann umgekehrt auch Raum nicht den passiven Part spielen; Masseys schöner symmetrischer Dualismus, den sie Laclau unterstellt, funktioniert so also nicht. Doch wie wirkt sich das dann auf Masseys Kritik aus, Laclau depolitisiere das Konzept des Raumes? In Masseys Lektüre von Laclau spielt Zeit den aktiven, Raum den passiven Part. Gleichzeitig sei mit dem aktiven Part die Kategorie der Politik verbunden, während der passive Part von jeglicher Politik frei sei. Insofern Massey Laclau diese Überzeugung unterstellt, kann sie ihm vorwerfen, er begreife in abendländischer Tradition Raum als passive, unpolitische Masse. Dies wäre so, wenn Laclaus Theorie tatsächlich Masseys Schilderung entspräche. Doch das ist nicht das, was Laclau schreibt. Massey sitzt hier einer kategorialen Verwechslung auf, die unvermeidlich ist, wenn Kategorien politischer Philosophie als sozialwissenschaftliche Kategorien gelesen werden.

Tatsächlich ist Zeit nicht so sehr die Kategorie der Politik als vielmehr die Kategorie des Politischen. Diese Unterscheidung selbst ist qualitativ und nicht bloß quantitativ - und sie ist deshalb den Sozialwissenschaftern normalerweise unzugänglich. Es trifft zwar zu, daß Laclau Politik und Raum gegenüberstellt: "Politics and space are antinomic terms." [17] Er tut dies aber, weil für ihn Raum, also das Soziale oder "die Gesellschaft", gerade das - nie erreichbare - Endprodukt hegemonialer Anstrengungen der Verräumlichung ist. Genau diese hegemonialen Anstrengungen sind Politik, nämlich Praxen der Verräumlichung qua Artikulation. Man muß also unterscheiden zwischen Verräumlichung als Politik einerseits und Raum als Kategorie des Sozialen, der Identität, des Diskurses, der Gesellschaft und der Bedeutungssysteme im allgemeinen andererseits. Und es kann Politik (= Verräumlichung) überhaupt nur geben, weil Raum letztinstanzlich unmöglich ist. Die vollständige Konstitution von Raum/System/ldentität/Gesellschaft ist deshalb unmöglich, weil diese Kategorien auf ein konstitutives Außen verwiesen sind, das zugleich ihre Ermöglichungsbedingung ist und ihre vollständige Schließung und Selbstidentität verunmöglicht. Und einer der Namen für dieses Außen ist Zeit.

Daraus folgt aber, daß Zeit keineswegs - wie Massey dies unterstellt - mit Politik identisch ist. Die Kategorie der Politik ist wie gesagt Verräumlichung. Das konstitutive Außen des Raumes ist dagegen das dem System Heterogene - alles, was sich nicht aus der inneren Logik des Systems selbst erklären läßt oder was keinen immer schon vorgezeichneten Platz in der Topographie hat: Dislokation, Störung, Unterbrechung, Ereignis. Laclau nennt diesen Moment der Unterbrechung und der Reaktivierung der räumlichen Sedimente "das Politische" [18]. Man muß also unterscheiden zwischen Politik (Verräumlichung) und dem Politischen (dem dislozierenden Einbruch von Zeitlichkeit im emphatischen Sinn). David Howarth hat in einer Antwort auf Doreen Massey zu Recht darauf hingewiesen, daß Laclau hierin Heideggers Kritik an der metaphysischen Vorstellung von Zeit als Präsenz und Repräsentation folgt. Auch für Howarth ist Zeitlichkeit die Kategorie des Politischen als reine Negativität (Antagonismus), welche Gesellschaft daran hindert, ihre Identität mit sich selbst zu erreichen, während Politik eine Praxis der Verräumlichung, der Identifikation ist. Howarth:"The character of temporality is indeterminate and undecidable: it is a condition for politics, not politics itself. The political is antagonism and contestation between forces, whereas politics consists in giving form or embodying the political. In this respect, politics must always have a spatial dimension." [19]

Was von Massey also übersehen wird, ist das, was man vielleicht die ontisch-ontologische Differenz zwischen Raum und Zeit nennen könnte bzw. zwischen dem Gebrauch, den Laclau von diesen Begriffen macht, und jenem, den Massey von ihnen macht. Howarth hat das in seiner Antwort auf Massey völlig richtig erkannt, wenn er sagt: "It is my contention that Laclau's usage of the concepts of space and time operates on the ontological level, rather than at the ontical level of Massey." [20] Wenn Laclau von Zeitlichkeit spricht oder vom Paar Zeitlichkeit/Räumlichkeit, spricht er strenggenommen über die Bedingungen der (Un-)Möglichkeit von Verräumlichung (Politik) und Raum (Gesellschaft). Er spricht, wenn man so will, über Zeitlichkeit als Ontologie des sozialen Raums und der Politik. Letztere sind dagegen auf der ontischen Ebene angeordnet, über die Massey spricht, wenn sie etwa eine bestimmte "politics of location" untersucht. Auf der ontischen Ebene gibt es nicht Zeit, sondern nur Zeiten, d. h. räumliche Versinnbildlichungen von zeitlichen Abläufen, etwa zu Geschichte. Die ontologische Ebene der Zeitlichkeit zeigt sich vom Beobachterstandpunkt des Sozialen erst im Ereignis, erst wenn diese zeitlichen Abläufe schlagartig unterbrochen werden und - z. B. im Moment von Revolutionen - eine neue "Zeitrechnung" beginnt, d. h. ein neuer Raum die Hegemonie über einen alten gewinnt.

Durch die Differenzierung zwischen einem sozialwissenschaftlichen und einem politikphilosophischen Zugang konnten wir also, Laclau folgend, drei Kategorien, resp. Kategorienpaare gewinnen, die zwar alle etwas mit "Räumlichkeit" zu tun haben, aber nicht miteinander verwechselt werden dürfen, da sie auf verschiedenen ontologischen Ebenen angesiedelt sind. Diese Kategorien sind:

a) Zeit und Raum. Zeit ist das ontologische Prinzip der Dislokation einer Struktur, die aus der essentiellen Abhängigkeit der Struktur von einem konstitutiven Außen resultiert. Raum ist umgekehrt der Name für den theoretischen Extremfall einer völligen Auslöschung von Zeitlichkeit und Dislokation. Dieser Extremfall kann jedoch nie eintreten, weil das konstitutive Außen der Struktur immer Spuren und dislokatorische Turbulenzen im Inneren hinterlassen wird. Könnte man das konstitutive Außen ausschalten, dann würde man auch die Strukturiertheit der Struktur ausschalten. Mit dem Verschwinden von Zeitlichkeit würde also auch Räumlichkeit verschwinden. Raum selbst - d. h. eine geschlossene, nichtdislozierte Totalität ohne konstitutives Außen - ist folglich nie erreichbar. Der Begriff "Gesellschaft" wird üblicherweise in diesem Sinne von Raum verwendet ("Alles ist gesellschaftlich"): als unhintergehbarer Horizont, der kein Außen kennt. Insofern aber Raum und Zeit als ontologische Prinzipien nur analytisch trennbar sind und das Prinzip des Raumes als Totalität nie ohne Einschlüsse und Dislokationen von Zeit erreichbar ist, ist Gesellschaft unmöglich - unmöglich genau als geschlossene Totalität als Raum. So die provokante Zentralthese von Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Buch "Hegemonie und radikale Demokratie" [21]: Gesellschaft existiert nicht.

b) Räume. Wenn es Raum im strengen, ontologischen Sinn nicht gibt, so ist doch genau das der Grund dafür, daß es auf der ontischen Ebene Räume geben kann. Wenn Massey von Raum spricht, und hieraus entstehen die Mißverständnisse, meint sie zumeist diese Ebene der Räume. Doch auch Laclau meint Räume, wenn er von der Unebenheit des Sozialen und von Sedimenten spricht. Der Begriff der Sedimente - weit davon entfernt, Passivität anzuzeigen - ist insofern voll gerechtfertigt, als er nur im Plural Sinn macht. Im nächsten Abschnitt werden wir gleich darauf zurückkommen.

c) Verräumlichung. Räume sind aber nun nicht präexistent, sondern müssen fortwährend konstruiert werden. Dieser Prozeß der Verräumlichung oder Sedimentierung ist der eigentliche Moment der Politik. Die Logik der Politik nennt Laclau Hegemonie, Verräumlichung ist folglich nichts anderes als die Hegemonisierung von Zeit durch Raum. Dazu Laclau selbst: "any representation of a dislocation involves its spatialization. The way to overcome the temporal, traumatic and unrepresentable nature of dislocation is to construct it as a moment in permanent structural relation with other moments [etwa als Topographie, O. M.], in which case the pure temporality of the ,event' is eliminated." [22] Diese Konstruktion - die mehr oder weniger permanente Verbindung verschiedener Momente zu einem strukturierten Ganzen - trägt bei Laclau (wie auch in den Cultural Studies, bei Stuart Hall oder Lawrence Grossberg) den Namen Artikulation.

//: Von Raum zu Räumen und zurück: drei Irrgänge

Im folgenden soll es auf der Basis des vorigen Diskussion um drei meiner Ansicht nach wenig geeignete Strategien der Rekonzeptualisierung von öffentlichem Raum gehen, die ich an den Namen Foucault, Deleuze und Habermas festmachen will. [23] Ich setze deren Raumtheorien als weitgehend bekannt voraus und werde sie hier nicht ausführlich referieren. Es geht mir nur darum, eine mögliche Kritik anzureißen, wie sie aus dem bisher Gesagten - d. h. aus Sicht der politischen Theorie - folgen würde. Während Foucault bewußt versucht, über eine Strategie der Vervielfältigung Anti-Öffentlichkeiten stark zu machen, verstehen Deleuzianer den öffentlichen, urbanen Raum als Flutgebiet von Energie- und Libidoströmen. Habermas wiederum hypostasiert eine bestimmte Vorstellung des öffentlichen Raums zu der Öffentlichkeit. Diese drei Irrwege der Multiplizierung von Raum (Foucault), der Substanzialisierung von Raum (Deleuze) und der Hypostasierung von Raum (Habermas) entfalten, so die These, eine ausgesprochen depolitisierende Wirkung. Vor der in diesem Abschnitt aufgespannten negativen Folie wird es schließlich im nächsten Abschnitt leichter fallen, einer wirklich politischen Theorie von Public Space - und damit politischer Public Art - näherzukommen.

Der Vortrag Foucaults "Andere Räume", gehalten 1967, hat spätestens seit seiner Publikation in den 80er Jahren ein ganzes Genre der Heterotopologie-Studien ausgelöst. Der Erfolg dieses Gelegenheitstexts ist wohl nur durch das zwanghafte Verlangen von Architekten und Urbanisten nach Theorieimporten zu erklären (und durch die unbremsbare Freude von Architekten an der 1:1-Umsetzung von poststrukturalistischen theoretischen Konzepten in architektonische Bauformen wie z. B. Falten oder Eier).

"Andere Räume", d. h. Heterotopien, werden in Foucaults Text als privilegierte, verbotene oder heilige Orte innerhalb unserer Gesellschaft vorgestellt, die entweder einen Raum des Übergangs, der Krise oder der Abweichung markieren. Krisenheterotopien, die Foucault vor allem sogenannten Urgesellschaften zurechnet, sind privilegierte, geheiligte oder verbotene Orte. Diese würden heute durch Abweichungsheterotopien wie Erholungsheime, psychiatrische Kliniken oder Gefängnisse abgelöst. Generell muß man Heterotopien wohl als Einfaltungen des Außen ins Innen verstehen, als, wie Deleuze sagen würde, "Blasen" in einem Homotopos, der von Foucault nicht weiter definiert wird. Typisch für diese Blasen ist das letzte Beispiel, das Foucault in seinem Vortrag gibt, das Schiff: "ein schaukelndes Stück Raum", ein "Ort ohne Ort, der aus sich selber lebt, der in sich geschlossen und gleichzeitig dem Unendlichen des Meeres ausgeliefert ist". Das Schiff ist für Foucault "die Heterotopie schlechthin". Und er zieht einen etwas romantisierenden Schluß: "In den Zivilisationen ohne Schiff versiegen die Träume, die Spionage ersetzt das Abenteuer und die Polizei die Freibeuter." [24]

Als Räume des Außen im Innen sind Heterotopien real existierende Utopien. Und sie sind vor allem multipel, d. h., man müßte von vielen kleinen Außen im Plural sprechen. Mit dieser Pluralisierung der Kategorie des Außen (und ihrer Einfaltung ins Innen) kauft Foucault allerdings eine gewisse Inkonsistenz in seiner Darstellung ein: Denn der von Foucault beschworenen heterologischen Wissenschaft ist es offenbar nicht möglich, ein Kriterium für die genaue Natur der Grenze zwischen dem Außen und dem Innen anzugeben. Wenn das Außen "real existierend" und an vielen Orten im Innen auftaucht, inwiefern kann man dann noch von einem Außen sprechen? Wandelt sich das Andere-im-Selben nicht unmittelbar in genau dieses Selbe? Handelt es sich bei den Heterotopien nicht einfach nur um einfache Variationen oder bestimmte Modi von Homotopien? Da uns Foucault kein Kriterium an die Hand gibt mit dessen Hilfe wir die Grenze zwischen Innen und Außen definieren könnten, bleibt völlig unklar, wer oder was eigentlich bestimmt, ob ein gegebener Ort in diese Kategorie fällt oder nicht. Das Konzept der Heterotopien verliert selbst alle Konturen. Benjamin Genocchio hat dieselbe Frage folgendermaßen formuliert: "How is it, that heterotopias are ,outside' of or are fundamentally different to other spaces, but also are related to and exist ,within' the general social space/order that distinguishes their meaning as different?" [25] Die einzig mögliche Antwort sei, daß jene Person, die die Orte differenziert, offenbar Foucault selbst ist, so Genocchio. Es handelt sich bei der Kategorisierung der Heterotopien offenbar um eine willkürliche Setzung des Autors.

Ohne Kriterium für die Grenze zwischen Innen und Außen weichen auch die Kriterien für die konkrete Bestimmung von Orten als Heterotopien auf. Wenn Foucault sich also dazu entschließt, in die Kategorie der Heterotopien u. a. Gärten, Schiffe, Wochenbetten, Bordelle, Kirchen, Hotel- und Motel-Zimmer, Museen, Friedhöfe, Bibliotheken, Gefängnisse, Asyle, Erholungsheime, psychiatrische Hospitäler, Militäreinrichtungen, Theater, Kinos, Römische Bäder, das türkische hammam und die skandinavische Sauna aufzunehmen, und wenn man ohne weiteres, wie Genocchio das tut, dieser Liste Märkte, die Kanalisation, Vergnügungsparks und Shopping Malls hinzufügen könnte, was unter der Sonne ist dann nicht heterotopisch? Gibt es überhaupt andere Orte als andere Orte?

Eine wohlwollende Lektüre könnte diese systematische Schwäche natürlich auch als eigentliche Stärke des Foucaultschen Konzepts auslegen. So stellen Bernd Knaller-Vlay und Roland Ritter die These auf, Foucault vollziehe mit seiner Auflistung von nahezu Borgesscher Antisystematik keine "schwache Konkretisierung eines starken Gedankens", sondern er inszeniere "geradezu eine systematische Inkonsistenz, mit der er die Liste davor schützt, abgeschlossen zu werden": "Die Liste der Heterotopien suggeriert eine offene Serie, die sich weiterdenken und fortschreiben läßt." [26] Weiterdenken und Fortschreiben, schön und gut, aber nach welchen Kriterien? Das Problem ist, daß, wenn ich keine Kriterien für das andere/das Außen angeben kann, ich umgekehrt das Eigene/das Innen auch nicht subvertieren kann. Heterotopien sind dann nicht einfache Bestandteile des Innen, sie sind ihm auch nicht äußerlich, vielmehr fallen sie - bei Foucault wie etwa auch bei Marc Auge - in eins mit dem Innen: Wenn alles zum Heterotopos werden kann, dann wird letztlich nichts dazu werden. Foucaults verschwommene Heterotopologie erweist sich in Konsequenz als Homotopologie.

Dieses Argument läßt sich genauso entlang der in Abschnitt l entwickelten Logik machen: Die bloße Multiplizierung von anderen Räumen oder internen Außenräumen zu einer unabschließbaren Reihe macht es umgekehrt unmöglich, die Grenzen des eigenen Raums oder Innenraums noch in irgendeiner Weise anzugeben, denn, wie gesagt wurde, das Außen muß von radikal anderer Natur sein als das Innen. Wenn das Innen z. B. ein System von Differenzen oder von differentiell bestimmten Positionen ist, dann kann das Außen keine weitere Differenz oder Position sein, denn dann wäre es Teil des Innen. Das konstitutive Außen - das bei Laclau als ausgesprochen nichträumlich (Zeit) gedacht wird - würde in diesem Fall selbst zu nicht mehr als einer weiteren Differenz (bzw. zu vielen weiteren Differenzen = Heterotopien) des Innen. Damit ist es aber kein Außen mehr (und das Innen kein Innen). Und es ist nicht mehr konstitutiv, da es von einer ontologischen Kategorie (Zeit/Raum) auf eine ontische Kategorie (Räume) reduziert wurde.

Diese Überlegung führt mich zur Hypothese, daß der eigentliche und heimliche Popanz, gegen den das Konzept der Heterotopie antritt, nicht die ontologische Kategorie des "Selben" oder des "Innen" ist, sondern das ontische Gegenkonzept eines bestimmten Konkurrenz-Topos im Innen: nämlich des öffentlichen Raumes. Mit anderen Worten: Das einzig Gemeinsame der Heterotopien, die Foucault aufzählt und die sich noch hinzufügen ließen, besteht darin, daß sie zu einem Ort nicht zu gehören scheinen, nämlich zur bürgerlichen Öffentlichkeit. Foucault entwirft ein partikularistisches Raumkonzept, dessen uneingestandener, aber implizierter Gegner der Universalismus des öffentlichen Raums ist.

Gestützt wird diese Hypothese durch die Tatsache, daß Foucault nicht angibt, wie und ob Heterotopien miteinander vermittelt werden - eine Aufgabe, die klassischerweise der öffentliche Raum gegenüber den privaten Räumen übernahm. Es wird nicht geklärt, was die Austauschbeziehung zwischen Heterotopien ist oder wie sie zueinander stehen. Muß man, so ließe sich kindlich naiv tragen, durch den Homotopos gehen, um von einem Heterotopos in den anderen zu kommen, oder gibt es Türen zwischen den Heterotopien? Und ist die Öffentlichkeit jener Raum, den wir durchqueren müssen, wenn wir von einem Heterotopos in den anderen wollen? Doch wahrscheinlicher ist, daß die Öffentlichkeit nicht nur der Homotopos ist, der die Heterotopien umschließt, sondern daß sie für Foucaults Argument vielmehr die Rolle der Anti-Heterotopie übernimmt (und die Heterotopien die Rolle der Anti-Homotopien). Die universalistische bürgerliche Öffentlichkeit ist schlichtweg die Antithese zu den partikularistischen Krisen- und Abweichungs-Heterotopien, gegenüber der sich letztere - eben qua Abweichung - stillschweigend definieren.

Damit sind Heterotopien die bloße Umstülpung, die Inversion des Konzeptes eines nicht weiter beschriebenen Homotopos, der sich jedoch implizit als Öffentlichkeit zu erkennen gibt. Ein Homotopos, der als universelle, mythische Instanz vorausgesetzt werden muß, damit das Heterotopie-Konzept Sinn macht. Wenn Foucault an der einzigen Stelle im Text, an der er tatsächlich vom öffentlichen Raum spricht, die Entgegensetzung von privatem und öffentlichem Raum als Ergebnis einer stummen Sakralisierung beschreibt, dann ist sein Text selbst das beste Beispiel für die "Stummheit", mit der diese Sakralisierung sich noch in ihrer scheinbaren Subversion vollzieht.

Betrachten wir nun die Variante einer Heterotopie, die gleichzeitig als "neue Öffentlichkeit" gepriesen wird: das Internet. Auf einem Symposium mit dem Titel "Fiktionen von Öffentlichkeit" im Künstlerhaus Stuttgart beantwortete der Frankfurter Soziologe Peter Möller nach einer Bestandsaufnahme der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums seine eigene Abschlußfrage "Wo ist der öffentliche, frei zugängliche Raum der 90er?" mit dem Vorschlag: "In den digitalen Städten der Netzwerke" [27]. Die Vorstellung vom Internet als "öffentlichem Raum" oder schlicht "Öffentlichkeit" hat sich so verfestigt, daß es eine müßige Fleißübung wäre, nun ähnliche Behauptungen wie die Möllers aneinanderzureihen. Selbst die Kritik am "Mythos Öffentlichkeit" scheint auf den ersten Blick bereits formuliert und abgehakt.

Diesem Internet-Mythos wird derzeit allerdings mit einem anderen Mythos gekontert, der für Öffentlichkeit überhaupt keinen Platz mehr läßt: die Rede ist vom (post)deleuzianischen Mythos vom Internet als rhizomatischer Raum der Flüsse ohne Zentrum. Öffentlichkeit wird hier überschwemmt von einer Räumlichkeit, die als pralle Positivität oder Substanz rationale Diskussion oder Normalisierung/Verräumlichung/Eingrenzung vollständig verunmöglicht. Ich nenne die Rede von einem Raum, der zu prall gefüllt ist, um sich in klaren Grenzen einhegen zu lassen, und der zugleich den Raum der Öffentlichkeit "überflutet", die Raum-der-Flüsse-Theorie. In der "Architects in Cyberspace" gewidmeten Ausgabe der Zeitschrift Architectural Design formulierte Sadie Plant die Raum-der-Flüsse-Theorie des Internet mit unmißverständlicher Deutlichkeit. Cyberspace widerstehe, so argumentiert sie, allen Forderungen nach Überwachung, Regulation und Zensur, denn: "such zones have always been out of control". Damit zieht sie eine Parallele zu Städten: "Cities, like Cyberspace, are not object of knowledge to be planned and designed, but cybernetic assemblages, immensely intricate interplays of forces, interests, zones and desires too complex and fluid for even those who inhabit them to understand." [28] Der Grund für diese urbane Widerständigkeit ist in der deleuzianischen Substanz zu suchen, die den Städten zugeschrieben wird: "Weeds and grasses lift the paving stones." Diese Anspielung auf den Mai '68 und den Situationismus bleibt nicht auf das angeblich subversive Potential von Cyber-Flows beschränkt: "All spaces, their builders, and inhabitants, functioned as cybernetic systems in multiple layers of cybernetic space." [29]

Der euphorische Mythos von der Eigenkraft der flows ist üblicherweise artikuliert mit der diffus anarchistischen Beschwörung von Zentrumslosigkeit. Dafür wurde bis zur Ohnmacht das Schlagwort "Rhizom" ausgeweidet. Aber in gewisser Weise ist das Promoten einer fließenden, rhizomatischen Zentrumslosigkeit des Internet/der Stadt eine äußerst schale Angelegenheit. Alle antifundationalistischen Theorien würden heute darin übereinstimmen, daß per Definition kein Signifikationssystem ein natürliches Zentrum besitzt, und schon allein aus diesem Grund kann auch das Internet kein natürliches Zentrum besitzen. Doch was heißt das schon? Wieder möchte ich das Problem rückanbinden an die in Abschnitt l skizzierte politische Theorie. Ernesto Laclau macht klar, daß mit dem einfachen ritualistischen Verweis auf den dezentrierten Charakter einer Struktur die Story noch nicht an ihr Ende gekommen ist. Was unter einer dezentrierten Struktur verstanden werden muß, ist "not just the absence of a centre but the practice of decentring through antagonism" [30]. Da einerseits jedes Signifikationssystem disloziert ist, kann es kein singuläres Zentrum geben. Doch andererseits ist zu berücksichtigen: "The response to the dislocation of the structure will be its recomposition around particular nodal points [= Zentren] of articulation by the various antagonistic forces." So daß wir sagen können, daß genau die dislokatorische, dezentrierte Natur eines Signifikationssystems sowohl das Resultat des Kampfes verschiedener Kräfte um die Bedeutung dieses Systems ist als auch ein Aufruf zu neuen Zentrierungsversuchen: "Social dislocation is therefore coterminous with the construction of power centres." [31]

Was bedeutet das für unser Problem? Wenn das Patchwork von Heterotopien oder das Rhizom des Internet ein "natürliches" und stabiles Zentrum besäße, gäbe es keine Dislokation und somit keine Bedeutungsproduktion. Der Prozeß der Bedeutungsartikulation würde stillstehen, und wir beträten eine gefrorene Welt, in der jedes Zeichen an einen natürlichen Referenten gefesselt ist und völlige Transparenz herrscht. Eine Welt totaler und ewiger Bedeutungsfülle. Doch wenn andererseits Heterotopien, Öffentlichkeiten etc. überhaupt kein Zentrum hätten, wenn Bedeutung nicht durch die partielle Konstruktion von Knotenpunkten (durch Verräumlichung) artikuliert würde und kein Signifikant eine temporäre Relation zu einem bestimmten Signifikat aufrechterhalten könnte, dann hätten wir eine psychotische Struktur und wiederum keine Bedeutung, sondern eine Welt totaler und ewiger Bedeutungslosigkeit. Das deleuzianische Flüsse-Modell ist in diesem Sinne hochgradig psychotisch. Und auch im deleuzianischen Raum ist kein Raum für den öffentlichen Raum von Politik. Raum wird naturalisiert, vitalisiert, mit Naturmetaphern versehen und erhält eine Positivität oder Substanz, die jegliche Politik (i. e. alle artikulatorischen Praxen der Verräumlichung) überflüssig macht.

Führt das bisher Gesagte zu einer Generalkritik an pluralen Raummodellen? Folgt aus der Kritik am Foucaultschen Heterotopie-Modell notwendigerweise eine Umarmung von Öffentlichkeit als Homotopos? Diese Frage führt uns zum letzten Modell von Öffentlichkeit, und zwar von Öffentlichkeit als Super- oder Metaraum. Die Idee von der einen vereinheitlichenden Öffentlichkeit wurde immer wieder Jürgen Habermas zugeschrieben. Das mag nicht völlig gerechtfertigt sein, denn Habermas selbst spricht von Öffentlichkeiten im Plural: Von regionalen, kulturellen, literarischen, wissenschaftlichen, politischen, organisatorischen, medialen und subkulturellen Teilöffentlichkeiten. Das Problem besteht nicht darin, daß Habermas diese Pluralität der Teilöffentlichkeiten nicht anerkennen würde, sondern darin, daß bei Habermas diese Pluralität von einem positiven Prinzip kommunikativer Vernunft kassiert wird.

Denn alle Teilöffentlichkeiten verweisen als füreinander durchlässige auf eine übergreifende Gesamtöffentlichkeit. Habermas zufolge existiere - trotz aller zugestandener Pluralität auf der Ebene der Teilöffentlichkeiten - doch eine "demokratische" oder "autonome" Öffentlichkeit [32], die nicht mit den massenkulturellen Öffentlichkeiten zusammenfällt, sondern in der die Bürger sich über die Regelung der öffentlichen Angelegenheiten autonom verständigen könnten. Im Rahmen des bisher Gesagten ist die Vorstellung einer rationalen Super- oder Meta-Öffentlichkeit - also auch die Öffentlichkeit, von der wir reden, wenn wir den Begriff des public space zum Begriff der public sphere hypostasieren - verfehlt. Nicht, daß es eine vernünftig und demokratisch diskutierende Öffentlichkeit nicht geben könnte, die kann es natürlich geben, nämlich überall, wo Menschen eben vernünftig und demokratisch diskutieren. Man muß noch nicht einmal bestreiten, daß vernünftiges und demokratisches Diskutieren an sich möglich ist (wenn auch praktisch unwahrscheinlich, so doch zumindest als regulative Idee und asymptotisches Ideal möglich). Aber damit bleibt eine solche Öffentlichkeit dennoch eine Teilöffentlichkeit unter vielen, die noch lange nicht ontologisch privilegiert ist, noch lange keine Gesamt- oder - in meinen Worten - Meta- und Superöffentlichkeit.

Unsere Kritik an der Meta-Öffentlichkeit entspricht also in keiner Weise der postmodernen Lyotardschen Kritik an Metanarrativen. Der Punkt ist nämlich nicht, daß alle Metanarrative, und zu diesen würde auch ich das Habermassche Öffentlichkeitsnarrativ zählen, abzulehnen seien, weil sie automatisch in eine Art Totalitarismus führten. Der eigentliche Kritikpunkt ist, daß solche Narrative keinen Metastatus geltend machen können und daher auf demselben ontologischen Level angesiedelt sind wie alle anderen Narrative. Das spricht noch nicht gegen das Metanarrativ selbst - es mag durchaus sinnvoll sein, für die Hegemonie eines bestimmten Narrativs zu streiten -, sondern es spricht nur gegen dessen transzendentalen Status.

Ich spreche mich also keineswegs gegen die Möglichkeit kommunikativer Vernunft oder gegen die Möglichkeit einer demokratischen public sphere aus. Eher spreche ich mich gegen die Vorstellung aus, diese public sphere sei in ontologischer Weise gegenüber anderen, vorvernünftigen oder vor-, nicht- oder antidemokratischen public spaces privilegiert. Um ein extremes Beispiel zu geben: Wenn wir in den Begriff der Öffentlichkeit nicht von vornherein die Idee kommunikativer Vernunft hineinschmuggeln wollen, dann hindert uns nicht einmal etwas daran, auch von "faschistischen Öffentlichkeiten" zu sprechen. Wieso sollte die über Hitlers Radioansprachen hergestellte Öffentlichkeit des einen deutschen Volks denn keine Öffentlichkeit sein, wieso sollte die Öffentlichkeit eines Nürnberger Reichsparteitages keine Öffentlickeit sein? Warum sollte nur der zwanglose vernunftgeleitete Dialog Öffentlichkeiten im emphatischen Sinn generieren, gibt es nicht auch die Öffentlichkeit des Kommandos, des Befehls, der autoritären Anrufung, der enthusiastisch taumelnden oder im Stechschritt marschierenden Massen? Oder, um weniger pathetische Beispiele zu geben, was macht all die diversen "Teil"-Öffentlichkeiten wie die Alltagsöffentlichkeiten der Werbung, des Stiegenhaus-Tratsches, der Sportveranstaltung, der Jugendkulturen etc. weniger öffentlich, weniger autonom oder weniger universell als die eine, über vernunftgeleitete Diskussion hergestellte Öffentlichkeit?

Und auch wenn wir unseren Öffentlichkeitsbegriff auf politische und demokratische Öffentlichkeiten einengen, bleibt selbst deren Pluralität irreduzibel, angeordnet um eine Reihe irreduzibler politischer Sprachspiele und unterschiedlicher Forderungen. Damit wären wir wieder bei einer Öffentlichkeitskonzeption, die mit Ernesto Laclaus Vorstellung von öffentlichem Raum kompatibel wäre: "For me, a radically democratic society is one in which a plurality of public spaces constituted around specific issues and demands, and strictly autonomous of each other, instils in its members a civic sense which is a central ingredient of their identity as individuals. Despite the plurality of these spaces, or, rather, as a consequence of it, a diffuse democratic culture is created, which gives the community its specific identity. Within this community, the liberal institutions - parliament, elections, divisions of power- are maintained, but these are one public space, not the public space." [33]

Was Laclau über die institutionellen Öffentlichkeiten der Demokratie (Parlament) sagt, kann auch über das habermasianische Konzept demokratischer Öffentlichkeit gesagt werden. Es ist nicht die Öffentlichkeit. Ähnlich wie die Verfechter der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" die demokratische Öffentlichkeit gerne auf das Parlament beschränken würden, hypostasiert Habermas einen bestimmten public space (der vernunftgeleiteten Diskussion) zu der einen public sphere. [34] Doch ist nicht gerade die unreduzierbare Pluralität von Öffentlichkeit - also die Abwesenheit einer rationalen oder sonstigen Superöffentlichkeit, eines Metaraums - Bedingung dafür, daß so etwas wie Demokratie überhaupt möglich ist? Laclau würde genau das behaupten: "But the condition for a democratic society is that these public spaces have to be plural: a democratic society is, of course, incompatible with the existence of only one public space." [35]

Damit ist keineswegs gemeint, Demokratie bestünde in einem fröhlichen Patchwork der Öffentlichkeiten. Demokratie bedeutet vielmehr, daß der Konflikt um die Frage, welche Öffentlichkeiten als politisch legitim toleriert werden und welche nicht, nicht von vornherein - etwa durch Rekurs auf ein quasitranszendentales Ideal kommunikativer Vernunft - automatisch schon entschieden ist. Demokratie bedeutet, daß keine bestimmte Öffentlichkeit, kein einzelnes Projekt der Verräumlichung diesen transzendentalen Status für sich in Anspruch nehmen kann. Das impliziert wiederum, daß der Ort der Öffentlichkeit leer bleibt. Das unterscheidet diesen Ansatz, der etwa den Theorien Laclaus und Leforts (zu ihm später) entspräche, deutlich von simplen Pluralisierungen des Habermasschen Begriffs der Öffentlichkeit, wie man sie etwa bei Fraser oder Benhabib findet. [36]

Um zu rekapitulieren: Es wurden drei Irrwege ausgemacht, die in gewisser Weise illustrieren sollen, was bei Raum- und Öffentlichkeitstheorien schiefgehen kann und wie bestimmte Entscheidungen im Outset der Theorie depolitisierende Effekte oder Implikationen haben können.

l) Der erste Irrweg war der der Multiplizierung von Raum bzw. der Einfaltung des konstitutiven Außen ins Innen. Foucault will mit dem Modell des Heterotopos ein Gegenmodell zum großen geschlossenen Gesellschaftsraum entwerfen, ein Gegenmodell insofern, als dieser Raum immer Einschlüsse des Außen, des "anderen Raums" aufweist: heterotopoi. Zu sagen, daß diese Räume multipel und plural sind, heißt aber noch lange nicht zu sagen, daß sie ein endloses unstrukturiertes Puzzle ausmachten oder daß sie alle gleichwertig wären. Indem das einzig angebbare Kriterium für einen Heterotopos seine Abweichung vom Homotopos ist und dieser - ähnlich wie die Habermassche Superöffentlichkeit - letztlich ein Phantasma der Theorie, die entweder anarchistisch vor ihm warnt wie die Foucaultianer, oder ihn staatstragend beschwört, wie die Habermasianer, kann, wie gezeigt wurde, schließlich alles zum Heterotopos werden, von der Sauna bis zur Shopping Mall. Am Schluß ist auch das Parlament ein Heterotopos.

2) Der deleuzianische Irrweg ist der der Substanzialisierung des Raums. Alle ausdifferenzierten Öffentlichkeiten - Heterotopien, Utopien und Homotopien - werden hier gewissermaßen zusammengerührt. Die literarische Öffentlichkeit unterscheidet sich nicht mehr von der parteipolitischen, subkulturellen oder künstlerischen, denn wir haben es nicht mit einer Logik voneinander abgrenzbarer Räume, möglicherweise Systeme zu tun, sondern mit einem rhizomatischen, zentrumslosen Brei. Dieser Sicht wäre entgegenzuhalten, daß der Raum des öffentlichen Raums keine quasinaturwüchsige Kraft ist, die aus eigenem Antrieb die Stadt in einen großen libidinalen Dschungel wandeln würde, denn das hieße ihm eine Eigengesetzlichkeit, eine innere antreibende Substanz des ständigen Werdens und Vergehens zuschreiben. Damit blieben wir im Reich deleuzianischer Naturphilosophie, um nicht zu sagen Naturmystik. Politik wird folglich zu einer ausgesprochen überflüssigen Tätigkeit, denn es ist ja die quasinatürliche Substanz der Libido-Flows, die die Pflastersteine anhebt - und nicht der politisch zu organisierende und artikulierende Wille der Demonstranten.

3) Doch ein Kontrastmodell zu diesem vitalistischen Hippie- und Neo-Hippie-Modell ist jenes Modell, in dem der Öffentlichkeit die Rolle des Superhirns zukommt [37]. Dies ist der Irrweg der Hypostasierung des öffentlichen Raums: Ein bestimmter öffentlicher Raum - jener der vernunftgeleiteten, zwanglosen, normativen Deliberation - wird zu der Öffentlichkeit. Doch der Raum des öffentlichen Raums ist nicht der bürgerliche Metaraum vernunftgeleiteter und gewaltfreier Diskussion, obwohl nicht mal abgestritten werden muß, daß auch so ein Raum auf der ontischen Ebene irgendwo existiert oder, wenn nicht, - im kontrafaktischen und regulativen Sinn - existieren sollte (obwohl ich beides - faktische Existenz wie kontrafaktische Wünschenswertigkeit - aus verschiedenen Gründen anzweifeln würde). Vielmehr ist der öffentliche Raum plural oder multipel und der Habermassche Debattierverein, wenn es ihn irgendwo geben sollte, ist ein öffentlicher Raum unter vielen, der den anderen gegenüber keineswegs ontologisch privilegiert ist. Keiner dieser drei Ansätze kann Rechenschaft darüber ablegen, warum der öffentliche Raum einerseits plural ist, andererseits aber nicht beliebig plural d. h. nicht unstrukturiert, sondern warum bestimmte Öffentlichkeiten andere Öffentlichkeiten dominieren [38]. So hilft uns auch keiner dieser Ansätze zu erklären, wie die verschiedenen Öffentlichkeiten miteinander in Beziehung stehen - wie etwa Austauschbeziehungen zwischen diesen Öffentlichkeiten funktionieren sollen, wenn man a) nicht von einer Gesamtöffentlichkeit ausgeht, die alle anderen vereinheitlicht und somit für den Austausch zuständig ist (der homotope Raum als Medium zwischen den Heterotopien), und b) nicht von einem Puzzle unverbundener Öffentlichkeiten ausgehen will, zwischen denen keinerlei Austausch stattfindet. Eine Klärung dieser Probleme kann nur eine politische Theorie leisten, die die Art und Weise in Rechnung stellt, in der verschiedene Projekte der Verräumlichung - d. h. der Hegemonisierung von Raum - miteinander im Streit liegen und partielle und vorübergehende Hegemonien über andere Räume errichten.

///. Öffentlichkeit(en) und radikale Demokratie

Der bisher wohl gültigste Versuch, gegenwärtige Kunstpraktiken und die politische Kategorie des öffentlichen Raums zusammenzudenken, stammt von Rosalyn Deutsche. Eines der vordringlichen Ziele von Deutsches wichtigem "Agoraphobia"-Essay ist es, ihrer eigenen Auskunft nach, neue Theorien "radikaler und pluraler Demokratie" in den Public-Art-Diskurs einzuschleusen. Es scheint, daß Deutsche die Auffassung teilt, die auch dem vorliegenden Kapitel zugrunde liegt: Um die gegenwärtige Frage, was Kunst öffentlich mache, einer Beantwortung näherzubringen, wird man sich der politischen Theorie zuwenden müssen. Damit sei natürlich nicht eine neue Leittheorie für die Kunst eingefordert. Vielmehr bestimmten die Fragen, Probleme und Sackgassen, welche die politische Philosophie und Demokratietheorie bereits seit langem anhand des Konzepts der Öffentlichkeit beschäftigen, immer auch schon die Public-Art-Diskussion - selbst dort, wo sie nicht in explizit politiktheoretisches Vokabular gekleidet wurden. So kann Deutsche sagen: "Although public art discourse has so far paid little direct attention to these theories, the issues they raise are already present at the very heart of controversies over aesthetic politics." [39]

Wenn wir von Sackgassen sprechen, so war und teilweise ist in der Linken eine dieser Sackgassen, in die eine progressive Theorie der Öffentlichkeit - etwa entlang einer Theorie "radikaler und pluraler Demokratie" - sich nicht verirren sollte, der marxistische ökonomische Determinismus, der politische Begriffe wie Öffentlichkeit zu einem bloßen Überbauphänomen der ökonomischen Basis erklärte. Deutsche hat mit ihrem Versuch einer Retheoretisierung von Public Art und Public Space an vielen Fronten gleichzeitig zu kämpfen: gegen Public Art als Behübschung, gegen Public Art als Gentrifikationsmittel (als ästhetischer Arm der Grundstückspekulanten), gegen Konservative wie Jesse Helms, die den Begriff der Öffentlichkeit substanzialisieren und einschränken wollen, andererseits gegen die kommunitaristische Linke, die unter Politik nur Community-Arbeit versteht, in Kritik und Theorie sogar gegen Deutsches eigene Kollegen und Kolleginnen von October, die - etwa in der Verteidigung von Serras Tilted Arc (der von Manhattans Federal Plaza entfernt werden sollte und wurde) - die Ideologie argumentativ fortschrieben, Kunst werde autonom und von Künstlerpersönlichkeiten produziert, und die überhaupt zeitweise kulturkonservativen Anfällen erliegen, usw. Die Kritik an Public Art als Gentrifikationshilfe, als kunstinternes Distinktionsmittel, als individualistische Ersatzleistung für Public Welfare setze ich als allgemein bekannt voraus, und sie muß an dieser Stelle nicht neu geprobt werden. Doch die entscheidende Front, an der Deutsches Kritik den Begriff des Public Space freizukämpfen hat, ist jene gegenüber der neomarxistischen Linken (Harvey und Jameson) und ihrem ökonomischen Determinismus.

Letzterer erweist sich bei näherem Hinsehen als der Hauptgegner, wenn es um eine fortschrittliche Artikulation von politischer Öffentlichkeit mit Kunst/Kultur gehen soll. Eine Kritik am marxistisch-sozialwissenschaftlichen Paradigma der Kunst- und Kulturkritik, dort wo es ökonomisch-deterministisch wird, muß dabei Hand in Hand gehen mit einer Kritik des Paradigmas der radikalen, oft marxistischen Polit-Linken, die die bürgerliche Demokratie und damit die bürgerliche Öffentlichkeit als "rein formal" abtut. Politik wie Kultur teilen in diesen deterministischen Ansätzen das traurige Schicksal, dem ("rein formalen") Überbau zugesprochen zu werden, der von der ökonomischen Basis angeblich determiniert sei. Das typische Beispiel für einen mit diesem marxistischen Metanarrativ operierenden Theoretiker ist Fredric Jameson, für den die kulturellen Phänomene der Postmoderne bekanntlich bloß die "kulturelle Logik" des Spätkapitalismus darstellen. Dieser Sicht folgt auch David Harvey in seinem einflußreichen Buch The Condition of Postmodernity: Die "Bedingung" der Postmoderne ist hier natürlich wiederum die Ökonomie. Postmodernismus ist, da dem kulturellen Überbau zugehörig, nur ein Symptom ökonomischer Umwälzungen der Basis (wie Globalisierung etc.). [40]

Dasselbe Schicksal wie die kulturellen Kategorien trifft nun auch politische Kategorien wie Öffentlichkeit oder politische Akteure wie die Neuen Sozialen Bewegungen. Aus ökonomistischer Sicht ist die politische Öffentlichkeit Teil der bürgerlichen Ideologie, die die wahren gesellschaftlichen, i. e. in letzter Instanz ökonomischen, Bedingungen verschleiert; genauso bleiben Kämpfe um Fragen wie Gender, sexuelle Orientierung etc. und um allgemein kulturelle Repräsentationen nur Nebenschauplätze: Denn wenn letztinstanzlich allein die Ökonomie zählt, kann der einzig wahre politische Akteur nur durch die Kategorie der Klasse definiert sein, und die einzig radikalen politischen Forderungen sind ökonomische. Gegen diese Vorstellung tritt Deutsche auf, indem sie Laclau/Mouffe contra Jameson/Harvey stark macht: "Mouffe and Laclau reverse Harvey's proposal: socialism, reduced to human size, is integrated within new social practices. Links between different social struggles must be articulated rather than presupposed to exist, determined by a fundamental social antagonism - class struggle." [41] Sozialistische Klassenpolitik, heißt das, ist ontologisch keineswegs privilegiert gegenüber anderen Politiken und Forderungen. Vielmehr werden ökonomische Forderungen auf derselben ontologischen Ebene vorgebracht wie etwa "kulturelle" Forderungen. Und da Klassenpolitik sich auf keine tiefere soziale Wirklichkeit (die ökonomische Basis) berufen kann, kann sie keine automatische Führungsrolle gegenüber anderen, z. B. minoritären oder identitären Kämpfen beanspruchen, sondern muß eine gemeinsame Äquivalenzkette mit diesen im Feld der Politik (d. h. im "Überbau") zuallererst konstruieren, sprich: artikulieren.

Was durch diese Artikulation erzeugt wird, ist nichts anderes als ein gemeinsamer Raum (ein Raum unter vielen). Dieser Raum besitzt keine substanzielle Basis, die immer schon alle Positionen in ihm von vornherein verteilen und determinieren würde (und sozialistischen Positionen automatisch die pole position garantieren würde), sondern dieser Raum ist das kontingente Ergebnis einer artikulatorischen Praxis, die überhaupt erst die Positionen zu einer Topographie verknüpft. Diese Praxis ist nichts anderes als Politik, eine Praxis nämlich - um auf die bereits in Abschnitt l entworfene Terminologie zurückzukommen - der Verräumlichung. Eine notwendige Voraussetzung für Politik und Verräumlichung ist jedoch, wie bereits gesagt, daß Raum - als geschlossene Totalität ohne konsti-tutives Außen, d. h. Zeit - nicht existiert. In dem Moment, in dem wir davon abgehen, Gesellschaft eine fundamentale, vereinheitlichende Basis oder Substanz zuzuschreiben, ist gesellschaftlicher Zusammenhalt immer nur das Ergebnis einer vorübergehenden - und auf Dauer immer notwendigerweise scheiternden - politischen Artikulation. Gesellschaft als Totalität ist dagegen unmöglich. Genau weil Gesellschaft aber unmöglich ist, ist Öffentlichkeit möglich. Das ist eine der grundlegenden Thesen von Claude Leforts Demokratietheorie und Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Theorie radikaler und pluraler Demokratie, an die Deutsche anknüpft, wenn sie sagt: ,,[a]ccording to new theories of radical democracy, public space emerges with the abandonment of the belief in an absolute basis of social unity (...)' [42]. Bevor ich auf die genauere Argumentation Leforts zur Konstitution von Öffentlichkeit eingehe, sei eine entscheidende Passage von Deutsches Text in extenso zitiert, denn vieles wird hier angesprochen, was bereits bekannt vorkommen mag:
"Democracy and its corollary, public space, are brought into existence, then, when the idea that the social is founded on a substantial basis, a positivity, is abandoned. The identity of society becomes an enigma and is therefore open to contestation. But, as Laclau and Mouffe argue, this abandonment also means that society is 'impossible' - which is to say, that the conception of society as a closed entity is impossible. For without an underlying positivity, the social field is structured by relationships among elements that themselves have no essential identities. Negativity is thus part of any social identity, since identity comes into being only through a relationship with an 'other' and, as a consequence, cannot be internally complete (...) Likewise, negativity is part of the identity of society as a whole; no complete element within society unifies it and determines its development. Laclau and Mouffe use the term antagonism to designate the relationship between a social identity and a ,constitutive outside' that blocks its completion. Antagonism affirms and simultaneously prevents the closure of society, revealing the partiality and precariousness - the contingency - of every totality. (...) It will be the Lefortian contention of this essay that advocates of public art who want to foster the growth of a democratic culture must also start from this point." [43]

Wenn wir Deutsche folgen wollen, dann ist das Paradox der Public Art kein sehr viel anderes als das Paradox, wie es von der politischen Theorie beschrieben wurde: Zum einen ist Gesellschaft unmöglich, d. h., jeder Raum ermangelt einer essentiellen Identität oder Positivität und ist von einem konstitutiven und doch negativen Außen abhängig. Zum anderen ist eine gewisse Vergesellschaftung notwendig, da eine völlig dislozierte Gesellschaft (sozusagen ein Raum ohne Räumlichkeit, i. e. reine Zeit) selbstverständlich ein ebensolches Unding wäre. Politik oder Verräumlichung ist einerseits nur möglich, weil Gesellschaft keine "Basis" hat, muß andererseits aber immer im Versuch scheitern, Räume und deren konstitutives Außen zu dem Raum der Gesellschaft zusammenzuschließen. Deutsches Verweis auf Claude Lefort ist hierin wegweisend, denn es war Lefort, der die historische Entstehung dieser Logik - und in ihr die Entstehung des öffentlichen Raums - beschrieben hat.

Alles beginnt mit dem, was Lefort (Tocqueville folgend) die "demokratische Revolution" nennt. Das historisch entscheidende Ereignis für die Entstehung der modernen Demokratie - ein Ereignis, das jedoch nur als symbolische Verdichtung einer Entwicklung verstanden werden sollte, die bereits viel früher begann - war Lefort zufolge nicht der Sturm auf die Bastille und auch nicht die Einberufung der Generalstände, sondern schlicht und ergreifend die Köpfung von Louis XVI. Von nun ab war nicht nur der König "dekorporiert", sondern auch der Ort der Macht in der Gesellschaft war entkörperlicht. Die Instanz der Macht - und mit ihr die Instanzen von Recht und Wissen - konnten nun nicht mehr in den "zwei Körpern des Königs" (Kantorowicz), dem irdischen und dem transzendenten, lokalisiert werden. Die Ausübung der Macht - d. h. die vorübergehende Inbesitznahme des leeren Ortes der Macht - ist statt dessen dem politischen Wettstreit unterworfen und kann sich auf kein transzendentes Prinzip mehr berufen. Ohne ein solches fundierendes Prinzip steht Gesellschaft vor der dauernden Aufgabe, sich selbst immer wieder aufs neue zu gründen. Durch die Entleerung des Ortes der Macht setzt das demokratische Dispositiv also ein Potential an Autonomie frei. Denn wenn der Ort sakraler Legitimation verwaist ist, dann ist Gesellschaft in ihrer Suche nach Legitimation auf sich selbst zurückverwiesen. Mit der Entleerung des Ortes der Macht trennt sich darum ein neuer Ort vom Staat ab: Die Zivilgesellschaft wird zum Ort autonomer Selbstinstitution der Gesellschaft. Und schließlich entsteht in der Zivilgesellschaft Öffentlichkeit verstanden als Raum des Politischen (der konfliktuellen Debatte) innerhalb des Nichtpolitischen (i. e. der "privaten" oder ökonomischen Anteile der Zivilgesellschaft die jedoch immer potentiell "veröffentlichbar", also zum Gegenstand öffentlicher Debatte zu machen sind). [44]

Die Abspaltung eines leeren Ortes der Macht vom Staat, die Trennung der Sphären der Macht des Rechts und des Wissens, die Herausbildung einer autonomen Sphäre der Zivilgesellschaft und schließlich der Öffentlichkeit in der die ihres transzendenten Status verlustig gegangenen legitimatorischen Grundlagen der Gesellschaft immer aufs neue ausgehandelt werden müssen - all das setzt die Instanz einer grundlegenden Teilung der demokratischen Gesellschaft voraus, einer grundlegenden konfliktuellen Verfaßtheit, die auf der ontologischen und nicht nur auf der ontischen Ebene lokalisiert ist. Demokratie ist die Institutionalisierung von Konflikt, d. h. der Debatte über die Grundlagen der Gesellschaft - oder sie ist keine. Institutionalisierung bedeutet u. a. die verbriefte Legitimität der öffentlichen Debatte darüber, was legitim und was illegitim ist. Öffentlichkeit ist weniger ein präexistierender Raum, in dem diese Debatte stattfindet oder dem sie zugewiesen wird. Öffentlichkeit muß im Gegenteil gerade durch die konfliktuelle Debatte um die Grundlagen der Gesellschaft und die Reichweite der Rechte (wenn auch auf der unumstößlichen Grundlage des Rechts, Rechte zu haben) bzw. Ausweitung der Rechte auf immer neue Bevölkerungsgruppen immer wieder neu erzeugt werden. [45]

Rosalyn Deutsche weist - Lefort und Laclau/Mouffe folgend - genau auf diese notwendige Konstruktion von Öffentlichkeit hin, wenn sie etwa schreibt: "The political sphere is not only a site of discourse; it is also a discursively constructed site. From the standpoint of a radical democracy, politics cannot be reduced to something that happens inside the limits of a public space or political community that is simply accepted as 'real'. Politics, as Chantal Mouffe writes, is about the constitution of the political community. It is about the spatializing operations that produce a space of politics." [46] Mit anderen Worten: Es ist die politische Intervention selbst die erst den Raum für Politik (die Öffentlichkeit) herstellt - und nicht umgekehrt. Die logische Folge daraus ist: "Conflict, division, and instability, then, do not ruin the democratic public sphere: they are the conditions of its existence." [47]

Diese Form von politischer Verräumlichung - die Öffnung eines Raums von Konflikt und Debatte - hat ihren Ursprung, so muß hinzugefügt werden, wiederum in einer konstitutiven Spaltung oder einem konstitutiven Antagonismus (zwischen Gesellschaft und ihrem Außen, zwischen dem leeren Ort der Macht und dem Staat etc.). Der gründende Antagonismus wird innerhalb der Gesellschaft zur öffentlichen politischen Debatte institutionalisiert, die wiederum nicht stillgestellt werden darf. Würde sie stillgestellt, dann wäre der leere Ort der Macht besetzt, die Trennung zwischen Macht und Staat sowie die Trennung zwischen den Sphären der Macht, des Rechts und des Wissens wäre aufgehoben - der Name für diesen Zustand des demokratischen Dispositivs ist, nach Lefort, Totalitarismus [48]. Im Totalitarismus wird der gründende Antagonismus verleugnet, die Debatte wird stillgelegt und als Folge daraus implodiert der öffentliche Raum. Es ist also von zentraler Bedeutung, daß die konfliktuelle Verfaßtheit der Gesellschaft, der Politik und letztlich des öffentlichen Raums nicht verdrängt oder verkleistert wird, wie das in Konsensmodellen der Fall ist. Das Konsensmodell par excellence ist natürlich auch für Deutsche "Habermas's ideal of a singular, unified public sphere that transcends concrete particularities and reaches a rational - noncoercive - consensus" [49]. Das Habermassche Modell muß Anathema sein für einen Versuch der Umsetzung von Theorien radikaler und pluraler Demokratie auf Probleme der Public Art: Öffentlichkeit wird von Habermas, wie wir bereits gesehen haben, als singulärer Metaraum verstanden, Gesellschaft als positives Objekt, dessen konfliktuelle Dimension (und damit dessen Selbstdifferenz oder Nichtidentität mit sich selbst) durch einen rationalistischen Metadiskurs ausgehebelt werden soll: "Construed as an entity with a positivity of its own, this object - ,society' - serves as the basis of rational discussions and as a guarantee that social conflicts can be resolved objectively. The failure to acknowledge the spatializations that generate 'social space' attests to a desire both to control conflict and to secure a stable position for the self." [50] Letztlich läuft die Unifizierung des öffentlichen Raums qua Rationalisierung von Konflikt auf eine Verdrängung des grundlegenden sozialen Antagonismus hinaus, auf die Verleugnung jeder Unterscheidung zwischen Gesellschaft und ihrem konstitutiven Außen - d. h. letztlich zwischen Raum und Zeit, denn die (temporale) Dislokation von Raum wird im habermasianischen Modell als etwas verstanden, das rational behoben werden kann. Im Laclau/Mouffeschen Modell ist sie dagegen gerade konstitutiv für Räumlichkeit. Für Laclau, Mouffe, Lefort und Deutsche entsteht so etwas wie öffentlicher Raum nicht dort, wo Konsens gefunden wurde, sondern dort, wo Konsens zusammenbricht (= disloziert wird) und immer wieder vorübergehende Allianzen artikuliert werden müssen. Entlang der in Abschnitt l entwickelten terminologischen Unterscheidung zwischen Raum als Totalität und Verräumlichung als politische Praxis wäre das habermasianische Modell eindeutig als Raum zu identifizieren: Als Konsensraum im Singular läßt diese Version der Öffentlichkeit letztlich keinen Platz für divergierende Verräumlichungen, die nicht auf der Basis "rationaler" prozeduraler Übereinstimmung stehen wollen. In dem Moment in dem - rational unvermittelbare - Konfliktualität aber verleugnet wird, wird Gesellschaft als positive Identität gesetzt: Einen ähnlichen Fehler begehen, wie Deutsche zurecht kritisiert, Community-Art-Praktiken, wo sie "Gemeinschaft" durch soziale Konsensarbeit herstellen wollen und damit überhaupt erst als positive Identität setzen.

Öffentlichkeit ist also kein Konsensraum, sondern ein Dissensraum. Der urbane öffentliche Raum wird - so läßt sich zusammenfassen - durch Konflikt erzeugt, nicht durch einen Konsens, der auf rationale und prozedurale Metaregeln zurückgreifen könnte. Deutsche spricht im Zusammenhang mit dem urbanen Raum von drei inkommensurablen Bedeutungen von Konflikt: "Urban space is the product of conflict. This is so in several, incommensurable senses. In the first place, the lack of absolute social foundation - the .disappearance of the markers of certainty' -makes conflict an ineradicable feature of all social space. Second, the unitary image of urban space constructed in conservative discourse is itself produced through division, constituted through the creation of an exterior. The perception of a coherent space cannot be separated from a sense of what threatens the space, of what it would like to exclude. Finally, urban space is produced by specific socioeconomic conflicts that should not simply be accepted, either wholeheartedly or regretfully, as evidence of the inevitability of conflict but, rather, politicized - opened to contestation as social and therefore mutable relations of oppression" [51].

Wo liegt genau die Inkommensurabilität dieser drei Bedeutungen von Konflikt? Die folgende Interpretation scheint mir nach allem bisher Gesagten angemessen: Worauf Deutsche bewußt oder unbewußt hinweist, ist die Differenz zwischen 1. den Bedingungen der (Un-)Möglichkeit von Gesellschaft und 2. bzw. 3. den verschiedenen Versuchen, Gesellschaft dennoch partiell zu konstruieren (entweder konservativ unifizierend oder fortschrittlich reaktivierend). Die Inkommensurabilität, von der Deutsche schreibt, entspricht damit der bereits in Abschnitt l angesprochenen ontisch-ontologischen Differenz: Auf ontologischer Ebene steht die Kategorie Zelt für den fundamentalen Mangel, der jeden Raum kennzeichnet; die ontische Ebene ist dagegen von konkurrierenden hegemonialen Anstrengungen der Verräumlichung gezeichnet - und im Ergebnis von einer Vielzahl (u. U. miteinander im Streit liegender) Räume. Die identitäre endgültige Festsetzung des urbanen Raums ist - wie die jedes anderen sozialen Raums - also aufgrund der unauslöschlichen ontologischen Bedingungen (der notwendigen Verwiesenheit auf ein konstitutives Außen und folglich der Existenz eines fundamentalen Mangels und Antagonismus) in letzter Instanz unmöglich. Genau dieses Scheitern der Schließung von Räumen zu Raum ermöglicht und erfordert aber umgekehrt ständige Bemühungen der Verräumlichung - d. h. politische Praxen der Artikulation.

Unterhält der öffentliche Raum, wie wir ihn Lefort folgend definiert haben, dann aber nicht eine besondere Beziehung - eine, die nicht völlig auf die ontische Ebene anderer Räume reduzierbar ist - zur ontologischen Ebene von Raum/Zeit? Ist nicht der sogenannte öffentliche, politische Raum, und zwar ohne daß er dadurch zu einem Metaraum werden würde, in viel stärkerem Ausmaß auf das Außen der Gesellschaft und auf die Instanz der Dislokation verwiesen als andere soziale Räume? Nicht weil er durch die Spaltung der Gesellschaft (die Abtrennung und Entleerung des Ortes der Macht etc.) überhaupt erst historisch entstanden ist, sondern weil er genau diese Spaltung qua konfliktueller Debatte immer wieder neu in Szene setzt und durch Debatte selbst überhaupt erst immer wieder neu konstruiert wird. Daraus würde weiters folgen, daß Öffentlichkeit entsteht, wo immer "debattiert" wird (daß sie also nicht auf bestimmte Orte wie etwa das Parlament begrenzt werden kann), d. h., daß der öffentliche Raum selbst gar kein Raum (auch kein Raum unter Räumen) ist, sondern eher ein Prinzip: das Prinzip der Reaktivierung, d. h. der politischen Dislokation sozialer Sedimentierungen durch den Einbruch von Zeitlichkeit. Als Prinzip der Reaktivierung (von Raum durch Zeit) gehört Öffentlichkeit dann eher der ontologischen Ebene an als der ontischen sozialer Sedimente.

Tatsächlich sind beide Konzepte von Öffentlichkeit, das Lefortsche wie das Habermassche, onto-logische Konzepte (bzw. sie sind beide quasitranszendentalistisch). Das eint sie vor allem gegenüber sozialwissenschaftlichen Ansätzen, die immer auf der ontischen Ebene bleiben. Und dennoch gibt es einen unhintergehbaren Unterschied zwischen Lefort et al. und Habermas et al. Rufen wir uns zur Klärung nochmals in Erinnerung, wie Raum und Zeit eingangs definiert wurden: Unter Zeit wurde das ontologische Prinzip der Dislokation einer Struktur verstanden, die sich aus der essentiellen Abhängigkeit der Struktur von einem konstitutiven Außen ergibt, während Raum umgekehrt den theoretischen Extremfall einer völligen Auslöschung von Zeitlichkeit und Dislokation bezeichnet. Damit sollte schon klar werden, worin der eigentliche Unterschied zwischen radikaldemokratischen Quasitranszendentalisten wie Lefort, Laclau, Mouffe, Deutsche und anderen auf der einen Seite und universalpragmatischen Quasitranszendentalisten wie Habermas auf der anderen Seite besteht. Es ist das Habermassche Konsensmodell, das Dislokation nur als Störung oder lästiges Rauschen im Kommunikationsprozeß versteht und das darauf abzielt, Dislokation auszulöschen und Öffentlichkeit vollständig zu verräumlichen. Letztlich handelt es sich also um ein Konzept des Raumes.

Im Unterschied zu Habermas, in dessen Theorie Öffentlichkeit die Kategorie des Raumes (als unifizierter Totalität) ausfüllt, ist die Lefortsche Öffentlichkeit gerade kein Raum, sondern gehört letztinstanzlich zur Ordnung der Zeitlichkeit, nämlich zur Ordnung des Konflikts. Die Öffentlichkeit Leforts ist daher letztinstanzlich keine ontische Lokation, sondern ein ontologisches Prinzip: Dislokation. Es geht im Modell radikaler und pluraler Demokratie nicht um die weitgehende konsensuelle Vereinheitlichung von Raum, d. h. um Konsensfindung, sondern um dessen konfliktuelle Öffnung. Es geht darum, die Besetzung des leeren Ortes der Macht, die dauerhafte Herstellung von geschlossenem Raum, gerade zu vermeiden.

Aus der Sicht der Demokratietheorie ist Öffentlichkeit Produkt und zugleich Möglichkeitsbedingung von Demokratie, da sie es ist, die für die konstitutive Teilung der Gesellschaft steht und diese Teilung qua konfliktueller, antagonistischer Debatte ständig neu herstellt. Demokratie bedeutet, daß (auf ontischer Ebene) keine bestimmte Öffentlichkeit, auch nicht die Öffentlichkeit vernunftgeleiteter zwangloser Diskussion, diese Debatte stillstellen und abweichende politische Sprachspiele delegitimieren darf. Leforts Öffentlichkeit ist deshalb auch kein Metaraum, wie jene von Habermas, weil Zeit keinen Raum bilden kann (Zeit kann, wie Laclau sagt, nichts hegemonisieren). Sie ist nichts als das Prinzip der verzeitlichenden Öffnung von Raum, der Garant, daß der Ort der Öffentlichkeit leer bleibt. Public Art wird daran zu messen sein, ob sie sich in letzter Instanz für Raum - das Soziale - entscheidet oder für Zeit: das Politische.

[from: Andreas Lechner / Petra Maier (Ed.), stadtmotiv*, Wien: selene 1999]


[1] Rosalyn Deutsche: Evictions. Art and Spatial Politics. Cambridge, Mass.-London: MIT Press 1996, S. xxiv.
[2] Gelegentlich finden und fanden sich auch Übersetzungen von und Interviews mit Laclau und Mouffe in deutschsprachigen Kunstzeitschriften wie Texte zur Kunst, Springerin oder die Nummer.
[3] Daß mit diesen Leitdisziplinen oftmals ein ökonomischer Determinismus verbunden war, ist das eigentliche Problem daran. Deutsche muß - nachdem sie einmal die Grundannahmen antiökonomistischer politischer Theorie (Lefort, Laclau und Mouffe) akzeptiert hat - an dieser Front daher auch gegen die Erben des ökonomischen Determinismus im kritischen Urbanismus kämpfen, wie etwa Harvey oder Jameson.
[4] Doreen Massey: "Politics and Space/Time", in New Left Review Nr. 196 (Nov./Dez. 1992).
[5] Massey zählt zu dieser zweiten Welle u.a. Sojas Postmodern Geographies: The Reassertion of Space in Critical Social Theory, London 1989, und die von Derek Gregory und John Urry herausgegebene Sammlung Social Relations and Spatial Structures, London 1985, sowie ihr eigenes Spatial Divisions of Labour: Social Structures and the Geography of Production, London 1984. Es ist bezeichnend, daß in diesen Fällen - wie schon aus dem jeweiligen Titel ersichtlich - eher die Ankoppelung an die Sozialwissenschaften gesucht wurde als an die politische Theorie.
[6] "With Time", so schreibt Massey, "are aligned History, Progress, Civilization, Science, Politics and Reason, portentous things with gravitas and capital letters. With space on the other hand are aligned the other poles of these concepts: stasis, ('simple') reproduction, nostalgia, emotion, aesthetics, the body", a. a. O., S. 73.
[7] a. a. O.,S. 67.
[8] Im einzelnen verläuft die Argumentationslinie, wie sie Laclau entwickelt, folgendermaßen: Laclau beginnt mit der Annahme Saussures, daß Bedeutung nur innerhalb eines Systems von Differenzen entstehen kann. Die Möglichkeit der Existenz eines Differenzsystems hängt jedoch von der Existenz seiner Grenzen ab - und diese Grenzen können nicht der Seite des Systems angehören, da in diesem Fall die Grenze selbst nur eine weitere Differenz wäre, und folglich keine Grenze der Differenzen. Nur insofern wir das Außen des Systems als radikales Außen verstehen - und die Grenze daher als eine ausschließende Grenze -, können wir überhaupt von Sy-stematizität oder Bedeutung sprechen. In Konsequenz können die Grenzen selbst nicht signifiziert werden, sie können sich nur zeigen als Unterbrechung oder Zusammenbruch des Signifikationsprozesses. Die Radikalität des radikalen Außen (Nichtbedeutung) ist nicht nur Möglichkeitsbedingung für die Etablierung einer Struktur (Bedeutung), sie ist zur selben Zeit Un-Möglichkeitsbedingung der Etablierung einer Struktur a/s geschlossener Totalität (volle Bedeutung). Die Funktion der ausschließenden Grenze besteht mit anderen Worten darin, daß sie eine essentielle Ambivalenz in das durch diese Grenzen konstituierte Differenzsystem einführt.
[9] Genaugenommen ist der Begriff der Abfolge - insofern er diachrone Elemente in eine synchrone Ordnung bringt - schon ein räumlicher Begriff.
[10] Daraus folgt, daß es strenggenommen keine Diachronizität gibt: Um repräsentierbar zu werden, muß das Diachrone synchronisiert werden.
[11] Ernesto Laclau: New Reflections on the Revolution of Our Time. London-New York: Verso 1990, S. 41.
[12] Wir wissen z. B. aus der Gedächtnistheorie, etwa aus der Rhetorik, daß man sein Gedächtnis am besten über räumliche Konstruktionen ausbaut, über Gedächtnisarchitekturen.
[13] Masseys Kritik an Laclau funktioniert genau über die ständige Reduktion Laclaus auf einen Strukturalisten.
[14] Laclau, S. 35.
[15] a. a. O., S. 41-42.
[16] a. a. O., S. 42.
[17] a. a. O., S. 68.
[18] Laclau folgt dabei einer Unterscheidung zwischen Politik und dem Politischen, die sich im Französischen seit Ricoeur und bis hin zu Nancy und Lacoue-Labarthe findet und in der anglo-amerikanischen Literatur etwa bei Sheldon Wolin.
[19] An diesem Zitat ist ebenfalls interessant, daß auch Howarth in seiner Laclau-lnterpretation einen Punkt unterstreicht, der der von Massey diagnostizierten zweiten Welle der 80er Jahre entspricht, hier allerdings für den engeren Bereich der politischen Theorie: Nicht nur Raum hat eine politische Dimension, sondern, wie Howarth sagt, jede Politik hat immer auch eine räumliche Dimension. David Howarth: "Reflections on the Politics of Space and Time", in Angelaki 1/1 (1993), S. 47. Vgl. weiters Michael Reids Antwort auf Howarth: "The Aims of Radicalism", in Angelaki 1/3 (1994). Zur Diskussion zwischen Massey und Laclau vgl. auch Malcolm Miles: Art Space and the City: Public Art and Urban Futures. London: Routledge 1997.
[20] a. a. O., S. 47.
[21] Ernesto Laclau und Chantal Mouffe: Hegemonie und radikale Demokratie. Wien: Passagen 1991.
[22] Laclau: New Reflections, S. 72.
[23] In der folgenden Darstellung soll es nicht um eine detaillierte und ausführliche Würdigung dieser Theorien gehen, sondern eher um eine Verdeutlichung - ex negativo - unseres eigenen Vorschlags einer politischen Raumtheorie.
[24] Michel Foucault: "Andere Räume", in Roland Ritter und Bernd Knaller-Vlay (Hg.): Other Spaces. Die Affäre der Heterotopie. HDA-Dokumente der Architektur 10, Haus der Architektur, Graz 1998, S. 37.
[25] Benjamin Genocchio: "Discourse, Discontinuity, Difference: The Question of 'Other' Spaces", in Sophie Watson und Katherine Gibson (Hg.): Postmodern Cities and Spaces. Oxford-Cambridge, Mass. 1995, S. 36.
[26] Bernd Knaller-Vlay und Roland Ritter: "Editorial", in dies.: Other Spaces, S. 10.
[27] Vgl. Marko Schachers Bericht in Texte zur Kunst, März 1997, S. 170.
[28] Sadie Plant: "No Plans", in Architectural Design, vol. 65, 11/12 (November/Dezember 1995), S. 36.
[29] a. a. O., S. 37.
[30] Laclau: New Reflections, S. 40.
[31] ibid. Das blinde Insistieren auf dem fluiden Charakter des Netzes unter Ausblendung der ebenfalls vorhandenen Fixationsbemühungen hat u. a. zum Nebeneffekt, daß man die Produktion neuer Zentralen wie etwa World Cities übersieht. Ein Phänomen, auf dessen Berücksichtigung etwa Saskia Sassen beharrlich insistiert: Das elektronische "frei fließende" Finanzkapital benötige infrastrukturelle Fixierungen (Manhattan, London, Tokio, Bombay). Sassen geht sogar einen Schritt weiter und behauptet, mit dem Cyberspace trete eine neue - transterritoriale - Form der Zentralität auf: Das Netz hat kein Zentrum, das Netz ist das Zentrum (oder, würde ich hinzufügen: eines der derzeit am stärksten artikulierten Zentren).
[32] Sei es auch in Form eines Netzwerks autonomer Öffentlichkeiten.
[33] Ernesto Laclau: Emancipation(s). London-New York: Verso 1996, S. 121.
[34] Oft wird gesagt, Habermas mache das Kommunikationsmodell des universitären Seminarraums zum Modell der Politik. Daß dabei das agonale Moment von Politk unter den Tisch fällt, versteht sich von selbst. S. dazu etwa Chantal Mouffe: The Return of the Political. London-New York: Verso 1993. Vgl. auch die Arbeiten von William E. Connolly, etwa Politics and Ambiguity. Madison, Wisconsin: University of Wisconsin Press 1987; oder Identity/Difference. Democratic Negotations of Political Paradox. Ithaca-London: Cornell University Press 1991.
[35] a.a.O.,S. 120.
[36] Nancy Fraser: "Rethinking the Public Sphere", in Craig Calhoun (Hg.): Habermas and the Public Sphere. Cambridge, Mass.: MIT Press 1992; Seyla Benhabib: "Models of Public Space: Hannah Arendt, the Liberal Tradition, and Jürgen Habermas", ebd. Trotz der oberflächlichen Vervielfältigung von Öffentlichkeit bleibt deren entscheidendes Merkmal der normativen Deliberation für alle Öffentlichkeiten nach wie vor erhalten. Das pluralisierende Up-dating ändert also nichts an der Sache selbst.
[37] Habermas ist skeptisch gegenüber dem bewußtseinsphilosophischen Erbe einer Theorie der Öffentlichkeit als Superhirn, ohne daß es ihm allerdings immer gelingt, dieser Tradition selbst auszuweichen.
[38] Wohlgemerkt: in beiden Fällen im Plural - nicht warum die Öffentlichkeit andere Öffentlichkeiten dominiert, sondern warum bestimmte Öffentlichkeiten andere Öffentlichkeiten dominieren.
[39] a. a. O., S. xxii.
[40] Fredric Jameson: Postmodernism. Or, the Cultural Logic of Late Capitalism. London: Verso 1991; David Harvey: The Condition of Postmodernity: An Enquiry into the Origins of Cultural Change. Oxford: Blackwell 1989. Der Ökonomismus von Jameson und Harvey wird von Deutsche überzeugend kritisiert.
[41] a. a. O., S. 228-9.
[42] a. a. O., S. 268.
[43] a. a. O., S. 274.
[44] Zu Leforts Konzept der Öffentlichkeit siehe u. a. seinen Aufsatz "Les droits de l'homme et l'Etat-providence", in ders.: Essais sur le politique, Paris: Editions du Seuil 1986.
[45] Die Ausweitung der Menschenrechte - von, wie einst, weißen, männlichen Grundbesitzern über den Einschluß von Frauen bis zum von der Bürgerrechtsbewegung erkämpften Einschluß von African-Americans und darüber hinaus - bedeutet für Lefort (contra die ideologiekritische Verdächtigung der Menschenrechte als "rein formal") ein generatives Prinzip von Demokratie; es ist unabschließbar: Was unter die Kategorie der "Menschen" fällt, denen das Recht, Rechte zu haben, gegeben ist, muß immer weiter gefaßt werden.
[46] a.a.O., S. 289.
[47] ibid.
[48] Ein vielleicht treffenderer Name für diesen Zustand - bedenkt man, wie sehr der Begriff Totalitarismus durch die Kalter-Krieg-Rhetorik ideologisiert ist - wurde von Jean-Luc Nancy vorgeschlagen: Immanentismus. Dieser Begriff hätte den Vorteil, daß durch ihn sofort klar wird, daß in "totalitären" Konjunkturen das konstitutive Außen der Gesellschaft ausgelöscht - oder besser: verleugnet - wird und die Immanenz letzterer behauptet wird. Siehe Jean-Luc Nancy: Die undarstellbare Gemeinschaft. Stuttgart: Patricia Scharz 1988.
[49] a. a. O., S. 287.
[50] a. a. O., S. 310.
[51] a. a. O., S. 278.