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cultura migrans

01 2001

Als diffuse Vorstellung der hybriden Koexistenz von diversen kulturellen Lebenswelten hat sich seit den 80er Jahren in ganz Europa das Konzept des Multikulturalismus breitgemacht. In den 90er Jahren wurde - wenigstens theoretisch - eine Kritik am Multikulturalismus als Teilideologie des Differenzkapitalismus entwickelt. Wenn etwa Slavoj Zizek die "repressive Toleranz des Multikulturalismus" betont, erkennt er den Multikulturalismus als verleugnete, verkehrte, selbstreferentielle Form rassistischer Evidenzen. Als die Differenz betonender Rassimus führt er über den "Respekt" vor dieser Differenz zu einem Bild von hermetischen Gemeinschaften, denen die ("westlichen") MultikulturalistInnen in privilegierten universellen Positionen distanziert gegenüberstehen. Dabei bleibt die Anerkennung von marginalen "Identitäten" (s. z.B. Jörg Haiders Position gegenüber der slowenischen Minderheit in Kärnten) und die Toleranz gegenüber den Unterschieden immer auf die Achse des Kulturellen beschränkt.

Während also die Kritik in der Praxis der Theorie halbwegs weiterentwickelt wurde, haben sich die hermetischen Praxen von Mehrheits- und Minderheitskulturen ebensowenig verändert wie die Rechte der MigrantInnen in den meisten europäischen Ländern. Mit der Ausbreitung von rechtsradikalen Szenen besonders in Mitteleuropa einerseits und dem teils schon etablierten, teils noch bevorstehenden Rechtsruck des politischen Mainstreams andererseits spitzt sich die politische Situation der MigrantInnen gleichzeitig zusehends zu.

Die soziokulturellen Initiativen, in die in den letzten Jahrzehnten in vielen Ländern Europas Hoffnung und kulturpolitische Anstrengungen von unten wie von oben investiert wurden, kamen über patriarchale (multi-)kulturalistische Ansätze selten hinaus. Dennoch tauchen nach wie vor sowohl in der Praxis des kulturellen Felds als auch in den kulturpolitischen Programmpapieren der EU immer wieder solche Floskeln auf wie "die Förderung der gesellschaftlichen Integration" (was sich in der gleichzeitigen Betonung der Zielgruppe "europäische Bürger" vollends als exklusive Maßnahme entpuppt).

Politik der Differenz vs. Politik der kulturellen Identität

Bestimmen existente kulturpolitische Konzepte kultureller Identität in irgendeiner Weise die Verfestigung kulturalistischer Hermetiken? Wenn ja, mit welchen Interessenhintergründen? Wie kann eine progressive Politik der Differenz besonders im Bereich der Kulturpolitik gedacht werden, die über Ideologeme von starren kulturellen Identitäten und der Hermetik dieser Identitäten hinausgeht? Was kann diesbezüglich aus den diversifizierten Praxen des kulturellen Felds und deren Fehlschlägen gelernt werden?


Repräsentation und Selbstorganisation von MigrantInnen

Gibt es produktive Formen von Repräsentation, die adäquat erscheinen für marginalisierte Gruppen, die über die Affirmation der Mehrheitskulturen hinausgehen? Welche Mechanismen, welche Strukturen sind notwendig, um adäquate Freiräume für Minderheiten zu schaffen? Wie kann mit der Verletzung universell formulierter Rechte im lokalen Zusammenhang umgegangen werden?


Alternativkonzepte und Utopien

Welche konkreten Strategien im Bereich der Kulturarbeit können dazu beitragen, die Kulturalisierungsstrategien zu durchbrechen? Welche aktuellen alternativen Initiativen gibt es im Kulturbereich, die den Trends der (Multi-)Kulturalismen kritisch entgegnen oder zukunftsweisende Modelle erproben? Wie kann die Alternative der Sprengung der nationalen Systeme und ihrer rigiden Restriktion der Rechte von MigrantInnen, hin zu einer Internationalisierung oder Kosmopolitisierung konkretisiert werden?