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03 2021

Kommunisierung der Kunst

Gerald Raunig

Mit Aesthetics of the Commons haben Cornelia Sollfrank, Felix Stalder und Shusha Niederberger einen Band herausgebracht, der eine spezifische Lücke in der reichhaltigen Literatur zu Commons schliesst. Das Buch, das neben seinen Herausgeber_innen 10 Autor_innen aus unterschiedlichen Disziplinen versammelt, basiert auf einem Forschungsprojekt am Institute for Contemporary Art Research an der Zürcher Hochschule der Künste unter dem Titel «Creating Commons». Der Titel spiegelt die konkrete Form des Forschungsprojekts und die Produktion des Buchs: Statt über Praxen zu forschen und zu schreiben, forschen die Herausgeber_innen auf der Basis von Workshops gemeinsam mit den Projekten, machen Interviews, die sie wiederum den eingeladenen Autor_innen des Buchs als Material zur Verfügung stellen. Statt von existenten Produkten auszugehen, die als Commons bezeichnet werden, z.B. Digital Commons, Knowledge Commons oder Creative Commons, beginnt die Forschung mit der These, dass das Gemeinsame an den Commons sich gerade im Produktionsprozess ereignet, im Produktionsprozess erzeugt wird. Die Form der Produktion, die Organisationsform, ist eine Form, die sich gegen die Mär von Geniekünstler und individueller Kreativität wendet, gegen den Privatbesitz an Werken, Objekten und Produkten.

Interventionsfeld des Buchs ist somit weniger die zunehmend und aufs Neue konservativ gewendete philosophische Disziplin der Ästhetik, die im Titel hervorgehobene Begrifflichkeit zielt vielmehr zuerst auf das Kunstfeld. In einer etwas saloppen Aneignungsbewegung des wahrscheinlich berühmtesten Zitats von Walter Benjamin könnte man sagen, dass es nicht um die Ästhetisierung der Commons geht, sondern um die Kommunisierung von Kunst. Hier ist ein Blick auf die nicht beforschten, sondern mitforschenden Praxen hilfreich, wie sie im Forschungsprojekt und im Buch fokussiert werden: vom feministischen Server über den Kunstraum in einem öffentlichen Park und die Kunstschule mit Kollektivitätsanspruch bis hin zur Piratenbibliothek im Netz ist das Kunstfeld zunächst wichtiger Raum der Resonanz, aber vor allem der Ressourcen. Für die oft prekären Projekte bekommt die Publikation damit unterstützende Funktion, die den Kunststatus der Projekte aufwirft und bestätigt.

Soweit die materielle Oberfläche, die ja bekanntlich am wichtigsten ist. Vielleicht noch wichtiger ist allerdings die virale Wirkung der Knowledge Commons an den Oberflächen des Kunstfelds. Der Begriff der Commons selbst hat schon einige Sprengwirkung für alle Teile des Kunstfelds, die auf Werk- und Wertform, Autorschaft und Marktförmigkeit künstlerischer Arbeiten abzielen. Das ist bei weitem nicht nur der kleine Bereich, der als Kunstmarkt bezeichnet wird, sondern grosse Teile des gesamten Kunstfelds: Commons, die sich grundsätzlich gegen Besitz und Aneignung wenden – und hier sei es noch dahingestellt, in welchem Mass sie sich der Aneignung entziehen können –, können diese Subfelder der Kunst allein durch ihre Behauptung als künstlerische Betätigung in Unruhe versetzen. Die Kommunisierung der Kunst geht weit über die rechtliche Frage des Eigentums hinaus, sie betrifft die Form, die ungefügige Organisationsform von sozialen Maschinen, die nicht von ihren politischen Inhalten zu trennen ist.

Und damit sind wir bei einer weiteren Interventionsebene angelangt, die über die Kunstförmigkeit der Projekte hinausgeht. Mit dem Kommunisierungsvektor der Projekte kann auch der Begriff der Commons selbst aus seiner Umklammerung durch die ökonomischen und juristischen Theorien und die Brandings von Creative Commons etc. gelöst werden – indem er gerade als Aspekt der Sozialität und kollektiven Organisationsform verstanden wird, auch in seiner Ungefügigkeit, Nichtfesthaltbarkeit, Monstrosität. Dann bewegt sich die Frage nach der Ästhetik der Commons unterhalb der rechtlichen und ökonomischen Festschreibung, zugleich über ihre Aneignung hinaus, dann wird sie eine Frage nach neuen Produktivismen, deren Operationalität und orgischen Formen der Organisation.


Das Buch Aesthetics of the Commons wurde von Cornelia Sollfrank, Felix Stalder und Shusha Niederberger bei Diaphanes herausgebracht und umfasst Texte von Olga Goriunova, Jeremy Gilbert, Judith Siegmund, Daphne Dragona, Magdalena Tyzlik-Carver, Gary Hall, Ines Kleesattel, Sophie Toupin, Rahel Puffert und Christoph Brunner.